Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 138

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Ich erlebe in meinem Beruf als Universitätsprofessorin täglich, wie wichtig und vor al­lem wie selbstverständlich ein schrankenloses Europa für die Studierenden und die Wissenschafter und Wissenschafterinnen heute ist. Es ist selbstverständlich, ausländi­sche Universitäten aufzusuchen. Es ist selbstverständlich, in internationale Netzwerke eingebunden zu sein.

Die von der EU betriebene Forschungsförderung sowie die Teilnahme an internationa­len Forschungsprojekten sind an österreichischen Forschungseinrichtungen nicht mehr wegzudenken. Dass wir diesbezüglich von einer österreichischen Erfolgsgeschichte sprechen können, lässt sich auch durch handfeste Zahlen belegen. Der Rückfluss bei der Forschungsquote beträgt nämlich beeindruckende 117 Prozent.

In den Genuss der europäischen Forschungsförderung gelangen aber keineswegs nur Hochschulen und Forschungszentren, sondern auch Unternehmen, einschließlich – und sie werden ausdrücklich genannt – der kleinen und mittleren Unternehmen.

Aber so selbstverständlich die Teilnahme an Europa und das Profitieren von Europa im Bereich der Wissenschaft und Forschung sind, so wenig selbstverständlich ist es, dass dieses Europa, das diese Chancen zu bieten vermag, ohne entsprechende Weiterent­wicklung auch funktioniert. Vergessen Sie bitte nicht, dass die Europäische Union mitt­lerweile 27 Mitgliedstaaten umfasst! Beziehen Sie in Ihre Überlegungen auch mit ein, dass etwa durch die gegenwärtige technologische Revolution oder durch die Globali­sierung neue Herausforderungen entstehen, die über die Staatsgrenzen hinausgehen! Denken Sie zum Beispiel an Probleme wie Terrorismus, nachhaltige Entwicklung, Be­völkerungstrends, wirtschaftliche Dynamik oder die Notwendigkeit gesellschaftlicher Solidarität!

Durch den Vertrag von Lissabon wird die Union in die richtige Richtung weiterentwi­ckelt. Dadurch wird es ermöglicht, die genannten Probleme künftig besser bewältigen zu können. Mit diesem Vertrag gehen wir aber, das wurde von meiner Vorrednerin schon angesprochen, vor allem auch einen weiteren Schritt in Richtung Sozialunion. Die Stärkung der sozialen Dimension kommt unter anderem in der neuen sozialen Querschnittsklausel zum Ausdruck. Das heißt, die Union verpflichtet sich, der Förde­rung eines hohen Beschäftigungsniveaus, der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie einem hohen Ni­veau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rech­nung zu tragen.

Es wird auch klargestellt, dass die EU eine auf Vollbeschäftigung und sozialen Fort­schritt abzielende soziale Marktwirtschaft anstrebt.

Wichtig ist darüber hinaus auch die ausdrückliche Anerkennung und Förderung der Rolle der Sozialpartner auf Ebene der Union, und zwar unter Berücksichtigung der Un­terschiedlichkeiten der nationalen Systeme.

Die Union fördert auch den sozialen Dialog und achtet dabei die Autonomie der Sozial­partner. Die Rolle der Sozialpartner wird damit eindeutig gestärkt. Von einer Abschaf­fung der Kollektivverträge, wie sie von den EU-Gegnern dem Vertrag von Lissabon im­mer wieder unterstellt wird, kann daher überhaupt keine Rede sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz im Gegenteil: Durch den Vertrag von Lissabon ändert sich nichts daran, dass die Sozialpolitik primär in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt. Es ist ausdrücklich fest-


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