Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 182

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Die Wahrung und der Schutz der Menschenrechte stellen eine der Grundfesten der Europäischen Union dar, wie dies nicht zuletzt der Vertrag von Lissabon deutlich macht. Besonders betont die Modifizierung der Präambel in Artikel I 1 lit. a die unver­letzlichen und unveräußerlichen Rechte jedes Menschen, der neu eingefügte Artikel I a unterstreicht das zusätzlich. Die EU ist dazu aufgerufen, im Zuge ihrer neuen Bemü­hungen um eine verstärkte gemeinsame Außenpolitik, wie sie durch die Neufassung des Artikel 9 a und die damit vorgesehene Ernennung eines Hohen Vertreters/einer Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik dokumentiert wird, dem Menschenrechtsengagement in der gemeinsamen Außenpolitik einen zentralen Stel­lenwert einzuräumen.

In den letzten Wochen hat die Welt mit großer Betroffenheit die Unruhen in Tibet, ihre Niederschlagung durch chinesische Sicherheitskräfte und die gewaltsamen Konflikte im Gefolge der Proteste verfolgt. Die Ausweisung sämtlicher ausländischer Medienver­treterInnen lässt nur unvollständige Informationen über die Lage in Tibet zu. Als ge­sichert gilt, dass die Demonstrationen und Proteste am 10.3.2008 friedlich begonnen haben. An diesem Tag haben chinesische Sicherheitskräfte eine Gruppe friedlich de­monstrierender Mönche festgenommen. „Zwischen 50 und 60 buddhistische Glaubens­brüder seien in der tibetischen Hauptstadt festgesetzt worden, als sie für die Freilas­sung von im vergangenen Jahr inhaftierten Mönchen protestiert hätten. Es sei unklar wohin die Mönche gebracht worden seien.“ (APA033, 11.3.2008) Daraufhin demons­trierten buddhistische Mönche am 11.3.2008 erneut. Es handelte sich bei den Teilneh­mern um 500 – 600 Mönche aus dem Sera-Kloster in Lhasa. Paramilitärische Einheiten setzten Tränengas gegen die Kundgebung ein und unterbanden diese Demonstratio­nen erneut. AugenzeugInnen berichteten von einem Aufgebot von mehreren tausend PolizistInnen. Auch bei dieser Kundgebung gab es Festnahmen und der weitere Ver­bleib dieser Personen ist ungewiss. Hungerstreiks und Selbstmordversuche einiger Mönche wurden am 14.3.2008 kolportiert. Drei große Klöster in Lhasa wurden von der Polizei umstellt.

Am Freitag den 14.3.2008 kam es erstmalig zu gewaltsamen Ausschreitungen auf bei­den Seiten, die sich bei bis heute bei mehreren Gelegenheiten fortgesetzt haben, wo­bei die chinesische Polizei auch von Schusswaffen Gebrauch macht. Laut Angaben der chinesischen Behörden kamen 18 Menschen, darunter ein Polizist, ums Leben. Laut unabhängigen Angaben starben bei den Unruhen mehr als 140 Menschen, Tau­sende sollen in Haft genommen worden sein. Es ist dokumentiert, dass der chinesi­sche Polizei- und Justizapparat vor der Anwendung von Folter nicht zurückschreckt. Laut Bericht des UNO Sonderbeauftragten Prof. Manfred Nowak ist die Folter in China weit verbreitet. Dazu kommt, dass die chinesischen Behörden zu den Aufständen in den tibetischen Regionen bereits verbal ein überaus hartes Vorgehen angekündigt ha­ben. Staatliche Medien verbreiteten den Aufruf, die Verschwörung und Sabotage durch tibetische Unabhängigkeitskräfte „zu zerschmettern“. „Es sei ein Kampf auf Leben und Tod zwischen uns und dem Feind“ (APA159 vom 24.3.2008). Es besteht daher der dringende Anlass zur Sorge, dass die während und nach den Demonstrationen festge­nommenen Personen, Foltermaßnahmen unterzogen werden. Unabhängigen Berich­ten zufolge mangelt es den Festgenommenen auch an medizinischer Versorgung.

Die aktuellen Unruhen sind Ausdruck einer langen Geschichte von Menschenrechts­verletzungen gegenüber den Tibeterinnen und Tibetern. China hat es nunmehr seit Jahrzehnten verabsäumt, der tibetischen Volksgruppe die ihr laut der chinesischen Verfassung zustehenden Autonomieregelungen in die Realität umzusetzen. Statt einer echten Autonomie und garantierten Menschenrechten herrschen in Tibet und den an­grenzenden ehemals zu Tibet gehörenden Regionen unzulässige Einschränkungen der


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