Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 188

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dessen muss ich aber feststellen, dass ich einen solchen Blödsinn überhaupt noch nie gehört habe. Das schreibt das kleinste Massenblatt Österreichs!

Einer Aussage des Kollegen Strache, dass sich angesichts der Debatte ob des Inhalts des Vertrages die Gründerväter im Grabe umdrehen würden, möchte ich einen Aus­spruch eines Mannes entgegenstellen, der zwar nicht von den Gründervätern stammt, aber einer der Großen der österreichischen Nachkriegsgeschichte ist, nämlich von Julius Raab, bekanntlich Bundeswirtschaftskammerpräsident und Freiheitskanzler. Er hat immer mit dem Stehsatz gepunktet – ich zitiere –: „Das Wichtigste an der sozialen Marktwirtschaft ist die soziale Dimension.“

Die soziale Marktwirtschaft ist jetzt zum Prinzip erhoben worden! Deshalb kann ich sa­gen: Bundeskanzler Raab dreht sich nicht im Grab um. Vielmehr würde er sich meiner Meinung nach ein „Virginerl“ anzünden und sagen: Gut habt ihr es gemacht! (Beifall bei der ÖVP.)

16.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.33.23

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Im Kern ist dieser EU-Re­formvertrag für die Bürgerinnen und Bürger sicherlich nicht leicht zu verstehen. Es wird schon länger darüber debattiert, dass der Reformvertrag, anders als der ursprüngliche Vertragstext, der wirklich gut lesbar ist, fraglos Schwächen in der Verständlichkeit und in der Nachvollziehbarkeit hat. Einige Punkte sind jedoch so essentiell, dass außer Streit stehen muss, dass der Reformvertrag einen Schritt vorwärts darstellt. Ich nenne jetzt noch einmal drei, vier Punkte, die aus meiner Sicht besonders wichtig sind.

Ganz essentiell ist einerseits natürlich die Grundrechtscharta, die auch eine Fundie­rung für die Arbeit der europäischen Institutionen schafft, die es bisher nicht gegeben hat. Ganz entscheidend ist außerdem die Aufwertung des Europäischen Parlaments in einigen der lebenswichtigsten Bereiche, nämlich in der Landwirtschaft und in der Le­bensmittelversorgung. Meine Damen und Herren! Bisher hatte das Europäische Parla­ment keine Mitentscheidung bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Agrarpolitik. Mit die­sem Reformvertrag ist das Europäische Parlament ab 1. Jänner 2009, gleichberechtigt neben dem Rat, ein wesentlicher Akteur bei der zukünftigen Gestaltung der europäi­schen Agrarpolitik. (Zwischenruf des Abg. Mag. Ewald Stadler.)

Kollege Stadler, warum ist das so wichtig? – Weil knapp 50 Prozent des EU-Budgets bekanntermaßen in diesen Bereich gehen. Ich habe Ihren Zwischenruf nicht ... (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Mag. Ewald Stadler.) – Schauen Sie: Hier sitzen 20 Bau­ernbundfunktionäre und mehrere Bauernvertreter der anderen Fraktionen. Und auch im Europarlament sitzen viele Vertreter aus den Regionen, die sich für die ländlichen Räu­me und für die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion einsetzen und seit Jahren Vorschläge machen, bisher aber nicht entsprechend berücksichtigt wurden.

Wenn Sie das konkret durchdenken, dann erkennen Sie, dass das für die Landwirt­schaft bedeutet, dass endlich mehr Mittel aus der Marktordnung – und ich hoffe sehr, dass das in Zukunft auch auf europäischer Ebene geschehen wird – in die ländliche Entwicklung gehen, hin zu mehr Umweltgerechtigkeit und zu einer gentechnikfreien Landwirtschaft, die die europäische Bevölkerung will. Je nach Umfrage haben sich et-


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