Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll56. Sitzung / Seite 189

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Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


18.33.52

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich möchte mir erlauben, noch einmal kurz auf unsere beim vorigen Tagesordnungs­punkt geführte Debatte hinsichtlich des Personalbedarfs in der Justiz einzugehen. Sie haben gesagt, Sie sehen den Personalbedarf bei den Staatsanwälten nicht und verstehen nicht, wie wir auf diesen Bedarf kommen. Das Beispiel mit Deutschland, das Sie möglicherweise kennen, zeigt den Bedarf. Deutschland hat rund 5 000 Staats­anwälte und zehnmal so viele EinwohnerInnen wie Österreich. Bei einem vergleich­baren Aufgabengebiet der Staatsanwaltschaften bräuchten wir 500 Staatsanwälte. Das halte ich auch für zu hoch gegriffen, weil das ein Fehlbestand von 170 wäre.

Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass damals, am Beginn der StPO-Reform, die Zahl der Staatsanwälte zu knapp bemessen wurde und dass wahrscheinlich jedenfalls ein Fehlbedarf von 80 StaatsanwältInnen gegeben ist, wenn dieses Beispiel mit Deutschland hält. Und davon bin ich überzeugt, weil die Aufgabengebiete der Staats­anwaltschaften vergleichbar sind.

Zurück zum eigentlichen Tagesordnungspunkt, zur 15a-Vereinbarung hinsichtlich der medizinischen Versorgungsleistungen im Strafvollzug. Frau Bundesminister, Sie haben schon gesagt, das ist eigentlich der Tropfen auf den heißen Stein, die Kosten sind explodiert, und der Großteil der Spitalskosten entsteht im Bereich des Maßnahmen­vollzugs. Für alle, denen nicht geläufig ist, was der Maßnahmenvollzug ist: Da geht es um die Täter, deren Tat in Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung steht. Einmal sind diese Täter zurechnungsunfähig und einmal sind sie zurechnungsfähig. 24 Prozent der Gesundheitskosten gehen für 9 Prozent im Maßnahmenvollzug drauf, und da stellen sich schon einige Fragen, die wir uns hier auch stellen sollten.

Warum ist die Justiz für eine Personengruppe zuständig, die als zurechnungsunfähig und damit als krank gilt? – Diese Frage müssen wir diskutieren. Die zweite Frage ist – und die greifen Sie ja auch auf, und da möchte ich Sie durchaus auch unterstützen –: Warum zahlt die Justiz in den Spitälern den Privatkostentarif? Das kommt mir schon so vor, also ob sich die Spitalserhalter da ein gutes Geld auf Kosten der Justiz machen.

Der dritte Punkt, den wir anschneiden müssen: Es fällt auf, dass immer öfter der Maß­nahmenvollzug vorgesehen wird und dass dieser Maßnahmenvollzug immer länger dauert. Das heißt, dass die Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug immer schwie­riger wird. Das führt teilweise zu absurden Verurteilungen. Da gibt es jemanden, der bekommt acht Monate wegen gefährlicher Drohung, gilt als zurechnungsfähig, aber bekommt nach § 21 Abs. 2 einen Maßnahmenvollzug und sitzt dann acht Jahre im Maßnahmenvollzug.

Da muss man sich schon über die Verhältnismäßigkeit Gedanken machen, ob bei einem Delikt wie gefährlicher Drohung eine Anhaltung von acht Jahren im Maß­nahmenvollzug wirklich adäquat ist. Klar ist, damit es keine Missverständnisse gibt, bei dieser Tätergruppe ist Sicherheit ein relevanter Aspekt. Wir brauchen umfassende Therapieangebote, und das Ganze muss finanzierbar sein.

Daher glaube ich, dass wir drei Punkte konkret diskutieren müssen. Das eine ist – ich habe es schon angedeutet –, dass diejenigen, die zurechnungsunfähig sind, die auch nicht verurteilt werden, kein Fall für die Justiz sind, sie gehören in die Spitäler und gehören durch das Gesundheitssystem finanziert.

Der zweite Punkt ist, Justizinsassen gehören krankenversichert. Wenn das der Fall ist, dann stellt sich die ganze Debatte um den Privatkostentarif nicht.

 


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