Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung / Seite 68

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überhaupt aussieht. Es ist wichtig, dass man einmal schaut, wie das von den Gerichten überhaupt gehandhabt wird.

Also lauter wesentliche Punkte, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben, bevor man – ohne Rücksicht darauf, ob es wirksam ist, ohne Rücksicht auf Prävention, ohne Rücksicht darauf, ob man potenzielle Opfer schützen kann – nach mehr und höheren Strafen ruft. Man soll das prüfen, aber man soll sich auch der Gesamtverantwortung in diesem Zusammenhang wirklich bewusst sein. All das sind Punkte, derer wir uns anzunehmen haben.

Ich habe noch einen letzten Punkt anzuführen. Ich habe hier über die Verantwortung gesprochen eines jeden Einzelnen, der Gesellschaft, der Zivilgesellschaft, der Behör­den, der Gesetzgeber, aber es gibt, wie ich meine, auch eine Verantwortung der Medien, und diese Verantwortung wurde unserer Auffassung nach nicht von allen Medien wahrgenommen. So ist es passiert, dass Opfer zum zweiten Mal zu Opfern wurden. Das ist inakzeptabel! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Das ist vor allem mit einem kommerziellen Hintergrund verbunden. Es findet da eine Kommerzialisierung des Elends, des Schicksals statt. Das, was da einzelne Medien getan haben, ist, finde ich, moralisch besonders verwerflich. Da sind wir, wie ich meine, aufgerufen, darauf in aller Deutlichkeit mit Kritik zu reagieren.

Ich sage noch einmal abschließend: Es gibt nichts Schlimmeres – gerade bei Sexual­delikten – für die Opfer und hinsichtlich der Folgewirkungen. Es kann ihr Leben zerstören. Es kann grausame, schreckliche Auswirkungen auf ihre seelische und körperliche Entwicklung haben. Wir sind daher aufgerufen, wirklich alles zu tun, um dem entgegenzuwirken, um davor zu schützen. Wir müssen hier die entsprechenden Gesetze schaffen und sie umsetzen. Nur daran sind wir letztendlich zu messen. Das soll die Handlungsanleitung sein für die künftige Arbeit, wenn wir das hier in Gesetze gießen und umsetzen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Schüssel zu Wort. – Bitte.

 


10.59.17

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir tun uns wahrscheinlich alle sehr schwer, Politiker, Medien und die Öffentlichkeit, die richtigen Worte zu finden angesichts dieses Schreckens. Ludwig Wittgenstein hat einmal gesagt: „Wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen!“ Aber worüber ganz Österreich redet und worüber man weit über Österreich hinaus redet – es ist ja ein europäisches, ein Weltthema geworden –, darüber muss man auch hier reden. Wo, wenn nicht auch hier sollte man diese Themen ansprechen? Reden ist ja auch ein Stück Therapie – für uns, für unser Land, für unsere Gesellschaft, für diese Situation!

Die Schwierigkeit, die richtigen Worte zu finden, zeigt auch die Hilflosigkeit, wie man damit umgeht. Es beginnt ja schon damit, wie man es benennen soll. Ist es ein „Fall Amstetten“, wie viele internationale Medien geschrieben haben, der „Inzestfall Am­stetten“, „Dungeons & Austrians“ hat die „Herald Tribune“ getitelt, also: Verliese und Österreicher. Natürlich ist es kein „Fall Amstetten“, es ist kein „Fall Österreich“ – aber wie nennen wir es? Es ist meiner Meinung nach kein Fall auch des Opfers, Natascha Kampusch zum Beispiel. Es hat mich immer unheimlich gestört, dass vom „Fall Kampusch“ geredet wurde. Ich finde, wir sollten uns hüten, das Opfer zum Thema eines Falls zu machen, es ist der Täter, um den es geht! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und FPÖ.) Es war Priklopil, es ist Fritzl!

 


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