Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung / Seite 103

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gegangen und haben nichts bemerkt. Die Nachbarn haben nichts bemerkt. Zu behaupten oder überhaupt anzuführen, dass die Behörden – egal ob Polizei oder Bezirksverwaltung – hier versagt hätten oder nicht alles unternommen hätten, damit diese Situation nicht eintritt oder nicht eintreten hätte können, ist an und für sich schlichtweg unrichtig.

Wir sind wirklich aufgerufen und gefordert – ich habe das schon angeführt –, in nächs­ter Zeit die Gesetze, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verändern, damit es künftig solche Straftaten nicht mehr gibt beziehungsweise sie hintangehalten werden können. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte von dieser Stelle aus noch einmal allen Verantwortlichen ein herzliches Dankeschön sagen, die im Fall Fritzl so professionell gearbeitet haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.47


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.47.29

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine Damen und Herren! Von Abgeordneten der SPÖ, der ÖVP und, so denke ich, schon auch von uns ist einiges Vernünftiges in dieser Causa gesagt worden. Ich will es nicht wiederholen. Ich bin froh, wenn möglichst bald ein Opferschutzpaket von der Justizministerin in dieses Haus gebracht wird und wir so bald wie möglich und mit möglichst viel Erfolg darüber beraten können.

Eine einzige Frage ist heute nicht gestellt worden, und das ist nicht nur für die Opfer eine ganz wesentliche Frage, nämlich: Haben die Behörden, von der Polizei bis zur Bezirkshauptmannschaft, in der Vergangenheit in allen Punkten die nötige Sorgfalt walten lassen? Und es gibt einen Punkt, wo zumindest Fragen berechtigt sind: Wie konnte es sein, dass der Bezirkshauptmann und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im ersten, im zweiten und im dritten Fall, das heißt im Adoptionsfall und in den beiden späteren Pflegschaftsfällen, das Abstammungsverhältnis, so wie es auch im ABGB vorgesehen ist, nicht ausreichend geprüft haben? Das ist eine ganz entscheidende Frage für die Weiterentwicklung dieses Falles und für die Chance, die dem Täter gegeben worden ist, sein Verbrechen über einen langen Zeitraum unentdeckt fortzu­führen. Diese Frage ist nach wie vor offen, und diese Frage muss auch im Interesse möglicher zukünftiger Opfer geklärt werden. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Und dann passiert etwas, und da ersuche ich auch die Justizministerin um Aufklärung. Frau Dr. Berger! Sie haben gegenüber der Presse am 2. Mai erklärt, der nieder­österreichische Landeshauptmann habe den Opfern – und Sie sagen: Leider! – seinen persönlichen Anwalt aufgedrängt. Und dann macht dieser persönliche Anwalt, Herr Christoph Herbst, im „Morgenjournal“ am 28. April folgende Feststellung: Frau Thurn­her fragt ihn, ob die Behörden wirklich genau nachgeschaut haben, und der Anwalt der Opfer erklärt – wörtlich! –:

„Entschuldigen Sie, wenn ich nicht ganz mitmache bei diesem Aufklären.“

Und er setzt dann fort: „Ich möchte aber gleich dazu sagen, bis heute, so wie ich das Ganze mitbekomme, gibt es keine Anzeichen dafür, dass es irgendwelche Behör­denfehler gibt.“

Alexander Van der Bellen hat doch darauf hingewiesen, dass hier eine klassische Unvereinbarkeit vorliegt. Ein Anwalt der Opfer hat ausschließlich die Interessen der Opfer nach allen Seiten zu vertreten, nicht nur gegenüber dem Täter, sondern mög­licherweise auch gegenüber Behörden. Und es ist doch nicht anzunehmen, dass der persönliche Anwalt des Landeshauptmannes, der hier aufgedrängt worden ist, mög-


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