Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung, 8. Mai 2008 / Seite 90

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(Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Dr. Cap: Diese Rede macht nachdenklich!)

12.55


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fichten­bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


12.55.37

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Was Vorredner zum Thema Finanz­prokuratur teilweise zum Besten beziehungsweise zum Schlechten geboten haben, ist geradezu atemberaubend, insbesondere im Zusammenhang mit der offenkundigen Ahnungslosigkeit.

Kollegin Tamandl – ich sehe sie jetzt nicht mehr – hat gerühmt, dass die Ausweitung der Kompetenzen eine tolle Errungenschaft sei. – Unter Federführung der ÖVP kam es die letzten Jahre hindurch zu massiven Privatisierungen. Jetzt gibt es ein Gesetzespro­gramm, das „radikalsozialistische Verstaatlichung“ genannt werden kann, nämlich Ein­beziehung aller bisher nicht von der Finanzprokuratur als Mandanten beherrschten Szenarien. (Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner.)

Kollege Großruck, glauben Sie wirklich, dass der Herr Hofrat von der Finanzprokuratur zu Ihrer Gemeinde hinpilgern und Ihnen denselben Rechtsrat liefern wird? (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) – Was ist los? Was ist los? (Abg. Mag. Gaßner: Ich heiße Gaß­ner!) – Entschuldigen Sie, nicht Großruck, sondern Gaßner. Zwei Männer mit mächti­gem Körper sind leicht verwechselbar. (Allgemeine Heiterkeit.)

Also ich glaube nicht, dass Ihnen vom Hofrat der Finanzprokuratur in Streitigkeiten über das, was eben in einer Gemeinde anfällt – Nachbarschaft, Baurecht –, Rechtsrat in gleicher Aufmerksamkeit geliefert wird wie bei Ihrem örtlichen Anwalt. Darf ich die Herrschaften von der ÖVP darauf aufmerksam machen, dass es sich lohnt, Kapitel eins der Grundlehre in Volkswirtschaftslehre nachzulesen. Darin steht, dass es Staats­konsum und Privatkonsum und Produktivität gibt, wobei die Produktivität aus Steuer­leistungen entspringt, die die Privatwirtschaftssubjekte erwirtschaften. (Abg. Mag. Kog­ler: Das ist aber Volkswirtschaft für Juristen!)

Beamte zählen zum Bereich des Staatskonsums. Es ist ein schöner Schein, ein An­schein, wenn man sich der Hoffnung hingibt, dass es nichts kostet, wenn man die Sphäre der Tätigkeit der Finanzprokuratur zulasten des Privatsektors ausdehnt. Das ist eine der originellsten Erfindungen, die höchstens Kindergartenniveau erreichen könnte, weil Beamte ja angeblich keinen Lohn bekommen. (Abg. Reheis: Das ist Populismus pur!) Das ist aber eine interessante Komponente. Können wir uns vielleicht anschicken, die Lohnkosten, die der Finanzprokuratur durch deren Existenz zulasten der Republik – das geht wieder auf Kosten der Steuerzahler – anfallen, ihrer angeblichen Produktivität gegenzurechnen?

Meine Damen und Herren! Österreich ist ein sympathisches Land. Es hat barockes Zierrat und anachronistische Eigenschaften, wobei eine dieser wunderbaren Einrich­tungen eben die Finanzprokuratur ist. Das stammt aus monarchischer Zeit. Moderne Länder haben gleichartige Gebilde schon längst abgeschafft. Die große Bundesrepu­blik Deutschland besorgt sämtliche ihrer rechtsberatenden Bedürfnisse im Wege des privaten Konsums, oder der privaten Inanspruchnahme, durch Rechtsanwälte, und es war noch nie zu hören, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein Defizit an Rechts­beratung bestünde.

Das vom gegenwärtigen Bericht aufgezeigte Mangelwerk besteht möglicherweise in einer durchaus zu hinterfragenden exzessiven Inanspruchnahme, und vielleicht nicht mit gehörigen Honorarvereinbarungen, die seitens der betroffenen Ministerien unterlas-


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