Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 46

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2. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird (613 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen zu Wort. 10 Minuten Rede­zeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


10.22.39

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren! Nachdem sich Kollege Cap über einen Abgeordneten der Grünen echauffiert hat, haben wir jetzt Gelegenheit, die „Meisterleistungen“ der Regierungspar­teien zu diskutieren, insbesondere jene der SPÖ im Rahmen des vorliegenden Steuer­pakets, eines Pakets, das man besser als Kraut-und-Rüben-Gesetz bezeichnen sollte. In diesem Kraut-und-Rüben-Gesetz sind völlig unverbundene Materien drinnen: die Ab­schaffung der Erbschaftssteuer endgültig, neue Privilegien für die obersten Zehntau­send im Rahmen der Stiftungen, im Prinzip begrüßenswerte Änderungen zugunsten der Pendler und ein Gesetz, das – nebenbei gesagt – einen Artikel 1 enthält und Arti­kel 3 bis 8; der Artikel 2 ist ersatzlos gestrichen. Vielleicht hätten Sie die Ziffern auch ändern können? Aber das sind eben die üblichen Schlampereien der Regierungspar­teien.

Zunächst zu den Stiftungen: Verehrte Kollegen und Kolleginnen von der SPÖ! Sie sind jetzt genauso wie die ÖVP zu den Lobbyisten der Personen in Österreich mutiert, die das Glück haben, eine Stiftung zu besitzen. Wie Sie wissen, können sich das nur die Reichsten der Reichen leisten; nur diese haben ein Interesse daran.

Es gibt in Österreich rund 3 000 Stiftungen, es ist also nicht übertrieben, zu sagen, dass Sie hier weitere Steuerprivilegien für die obersten Zehntausend in Österreich be­schließen. Ich gratuliere dazu, Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie sich das Gesetz, die bisherigen Regelungen und die jetzigen Regelungen angesehen haben, dann werden Sie feststellen, dass es den Reichen und Superrei­chen in diesem Land – und in diesem Kontext ist es nicht polemisch, diese so zu be­zeichnen – weitaus leichter fällt als unsereinem, den Normalsparern, ihr Vermögen in den Stiftungen zu akkumulieren. Bruno Rossmann von meiner Fraktion wird sicherlich dazu Näheres zu sagen haben.

Wissen Sie, das ursprüngliche Motiv von Ferdinand Lacina – in seiner Amtszeit wurden ja die ersten Stiftungsgesetze in dieser Republik erlassen – ist inzwischen von der Poli­tik von SPÖ und ÖVP vollkommen pervertiert worden; das ursprüngliche Motiv, Be­triebsvermögen zusammenzuhalten, wenn, aus welchen Gründen immer, die Erbenge­neration sozusagen nicht geeignet ist, das Unternehmen zu übernehmen oder Streitig­keiten zwischen den Erben befürchtet werden et cetera.

Dieses Motiv war durchaus anerkennenswert. Aber jetzt pervertieren diese Stiftungen zu einem reinen Steuersparmodell für die Reichen und Superreichsten dieses Landes (Beifall der Grünen), was weder industriepolitisch noch – und das ist insbesondere an die KollegInnen von der SPÖ gerichtet – verteilungspolitisch in irgendeiner Richtung vertretbar wäre. So haben Sie sich von Ihren ursprünglichen Motiven und Zielen und, um es pathetisch zu sagen, von Ihren Idealen verabschiedet, sofern sie irgendwann vor hundert Jahren existiert haben.

 


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