Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll16. Sitzung / Seite 285

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Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs:

Sehr geehrte Frau Abgeordnete,                                                              Wien, 19. Februar 2009

sehr geehrter Herr Abgeordneter!

Wir wenden uns in einer besonders dringlichen Angelegenheit an Sie. Von einer qualifi­zierten Öffentlichkeit bislang unbemerkt, ist derzeit eine Novelle zur Strafprozessord­nung (StPO) geplant, die dem Sachverständigenwesen erheblichen Schaden zufügen würde.

Aus diesem Grund bitten wir Sie dringend, sich bei der Sitzung des Justizausschusses am 4.3.2009 entschieden dagegen auszusprechen, dass künftig auch Universitätsinsti­tute und nicht wie bisher nur physische Personen als gerichtliche Sachverständige be­rufen werden können.

Die Erwägungen dazu sind folgende:

Es ist tragender Grundsatz des Sachverständigenrechts und zentraler Bestandteil des österreichischen Verfahrensrechts, dass ausschließlich natürliche Personen als Ge­richtssachverständige zu bestellen sind. Das durch das Sachverständigen- und Dol­metschergesetz (SDG) geschaffene Qualitätssicherungs- und Haftungssystem baut da­rauf ebenso auf wie sämtliche Verfahrensgesetze. Dahinter steht der dem kontinental­euro­päischen Sachverständigenbeweis immanente Grundgedanke, dass die im Ver­fahren herangezogenen Experten das volle Vertrauen der ermittelnden oder entschei­denden Organe genießen müssen, sollen sie doch beim Sachbeweis deren fehlende Sachkunde ersetzen und damit die im Verfahren ergehenden Entscheidungen rechts­staatlich legitimieren.

In der jüngeren Geschichte des Strafprozessrechts wurde bereits zweimal (2005
und 2007) der Versuch unternommen, die StPO im Sinn einer Bestellung juristischer Personen zu ändern. In den Begutachtungsverfahren wurde dagegen vehementer Wi­derstand erhoben. Beide Male wurde der Vorstoß aufgrund massiver rechtlicher Be­denken aus Justiz, Sozialpartnerschaft und Wissenschaft zurückgezogen. Siehe dazu jeweils die Materialien:

http://www.parlinkom.gv.at/PG/DE/XXII/ME/ME_00186/pmh.shtml

http://www.parlinkom.gv.at/PG/DE/XXIII/ME/ME_00087/pmh.shtml

Der jüngste Vorstoß wurde im Auftrag des Bundesministers für Wissenschaft und For­schung Dr. Johannes Hahn, der bis 15.1.2009 interimistisch auch Bundesminister für Justiz war, eingeleitet und soll nun im Weg eines Initiativantrages umgesetzt werden. Damit entfällt das sonst vorgesehene Begutachtungsverfahren. Bemerkenswert ist, dass die für Angelegenheiten des Strafverfahrens zuständige Abteilung II 3 des Bun­desministeriums für Justiz eine klar ablehnende Stellungnahme abgegeben hat und die Änderung unseres Wissens auch von den sonst mit der Materie befassten Stellen in­nerhalb des als fachlich hoch kompetent anerkannten Mitarbeiterstabes des Justizmi­nisteriums nicht befürwortet wird. Auch die Vereinigung der österreichischen Richterin­nen und Richter hat sich bereits klar gegen dieses Vorhaben ausgesprochen:

http://www.richtervereinigung.at/content/view/330/41/

Die Konsequenzen eines derart schwer wiegenden Eingriffs in die Strafrechtsordnung gehen weit über den Bereich der Gerichtsmedizin hinaus und wurden bei Abfassung des Antrags offenbar nicht vollinhaltlich bedacht. Gefährdet sind folgende wesentliche Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens:

Transparenz der Bestellung: Während nach der geltenden Rechtslage in einem Quali­tätssicherungssystem zertifizierte Experten aus einer öffentlichen Sachverständigenlis-


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