Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, Wien, 19. Februar 2009
sehr geehrter Herr Abgeordneter!
Wir wenden uns in einer besonders dringlichen Angelegenheit an Sie. Von einer qualifizierten Öffentlichkeit bislang unbemerkt, ist derzeit eine Novelle zur Strafprozessordnung (StPO) geplant, die dem Sachverständigenwesen erheblichen Schaden zufügen würde.
Aus diesem Grund bitten wir Sie dringend, sich bei der Sitzung des Justizausschusses am 4.3.2009 entschieden dagegen auszusprechen, dass künftig auch Universitätsinstitute und nicht wie bisher nur physische Personen als gerichtliche Sachverständige berufen werden können.
Die Erwägungen dazu sind folgende:
Es ist tragender Grundsatz des Sachverständigenrechts und zentraler Bestandteil des österreichischen Verfahrensrechts, dass ausschließlich natürliche Personen als Gerichtssachverständige zu bestellen sind. Das durch das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG) geschaffene Qualitätssicherungs- und Haftungssystem baut darauf ebenso auf wie sämtliche Verfahrensgesetze. Dahinter steht der dem kontinentaleuropäischen Sachverständigenbeweis immanente Grundgedanke, dass die im Verfahren herangezogenen Experten das volle Vertrauen der ermittelnden oder entscheidenden Organe genießen müssen, sollen sie doch beim Sachbeweis deren fehlende Sachkunde ersetzen und damit die im Verfahren ergehenden Entscheidungen rechtsstaatlich legitimieren.
In der jüngeren Geschichte des Strafprozessrechts
wurde bereits zweimal (2005
und 2007) der Versuch unternommen, die StPO im Sinn einer Bestellung
juristischer Personen zu ändern. In den Begutachtungsverfahren wurde
dagegen vehementer Widerstand erhoben. Beide Male wurde der Vorstoß
aufgrund massiver rechtlicher Bedenken aus Justiz, Sozialpartnerschaft und
Wissenschaft zurückgezogen. Siehe dazu jeweils die Materialien:
http://www.parlinkom.gv.at/PG/DE/XXII/ME/ME_00186/pmh.shtml
http://www.parlinkom.gv.at/PG/DE/XXIII/ME/ME_00087/pmh.shtml
Der jüngste Vorstoß wurde im Auftrag des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn, der bis 15.1.2009 interimistisch auch Bundesminister für Justiz war, eingeleitet und soll nun im Weg eines Initiativantrages umgesetzt werden. Damit entfällt das sonst vorgesehene Begutachtungsverfahren. Bemerkenswert ist, dass die für Angelegenheiten des Strafverfahrens zuständige Abteilung II 3 des Bundesministeriums für Justiz eine klar ablehnende Stellungnahme abgegeben hat und die Änderung unseres Wissens auch von den sonst mit der Materie befassten Stellen innerhalb des als fachlich hoch kompetent anerkannten Mitarbeiterstabes des Justizministeriums nicht befürwortet wird. Auch die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter hat sich bereits klar gegen dieses Vorhaben ausgesprochen:
http://www.richtervereinigung.at/content/view/330/41/
Die Konsequenzen eines derart schwer wiegenden Eingriffs in die Strafrechtsordnung gehen weit über den Bereich der Gerichtsmedizin hinaus und wurden bei Abfassung des Antrags offenbar nicht vollinhaltlich bedacht. Gefährdet sind folgende wesentliche Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens:
Transparenz der Bestellung: Während nach der geltenden Rechtslage in einem Qualitätssicherungssystem zertifizierte Experten aus einer öffentlichen Sachverständigenlis-
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