Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll23. Sitzung / Seite 184

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den Vorkommnissen in Ebensee oder mit neonazistischen Tendenzen zu bringen und das Ganze dann in ein Amalgam hineinzubringen, wo dann natürlich etwas am Land hängen bleibt – gewollt oder ungewollt, wahrscheinlich unbewusst –, finde ich per­sönlich nicht richtig.

Da sollten wir einen gemeinsamen Comment entwickeln, dass das eben nicht ge­macht wird. Diskussion, Auseinandersetzung, auch harte Auseinandersetzung sind selbstverständlich, aber wir sollten schon einander respektieren und ernst nehmen.

Dazu gehört, dass man vielleicht auch ein bisschen reflektiert, warum eigentlich gerade dieses Thema immer wieder zu solchen Emotionen führt. Da ist mir eines aufgefallen: Es gibt ja ganz wenige Tabus in der heutigen Gesellschaft, aber offensichtlich ist der Umgang mit dem Nationalsozialismus, mit dem Holocaust das letzte Tabu, das übrig geblieben ist.

Man muss ehrlich dazu sagen, Jugendliche tendieren dazu, solche Tabus zu brechen. Das muss man sehen. Da muss man sehr sorgfältig damit umgehen. Ich würde zum Beispiel der Innenministerin, die hier eine großartige Rede gehalten hat, raten, dass man wirklich die besten Jugendpsychologen zusammenholt und überlegt, wie man damit umgeht.

Da muss man aber auch aushalten, dass möglicherweise da und dort Entgleisungen passieren können. Dazu verweise ich zum Beispiel auf den heutigen Kommentar von Hans Rauscher – hochinteressant! – im „Standard“. Es geht um das Stück „Die Welle“, das im Volkstheater aufgeführt wurde. Das ist ein Stück, wo ein sehr engagierter Pädagoge versucht, die Jugendlichen damit zu konfrontieren, dass sie selber mit quasi faschistischen Tendenzen verführbar sind. Das gelingt natürlich, manchmal sogar zu gut, es droht zu entgleisen!

Die Reaktion des Publikums im Wiener Volkstheater ist sehr interessant. Einige haben applaudiert bei einer Hitler-Rede. Dann kam aber eine Szene, in der eine Wider­ständlerin von „Quasi-Nazis“, die von Schülern gespielt wurden, brutal auf der Bühne niedergeworfen wird. Ein Orkan, ein Buh-Orkan hat sich erhoben. Und als dann am Schluss Schauspieler Markovics aufgetreten ist und sich für Toleranz und für Ver­söhnung ausgesprochen hat, gab es tosenden Applaus.

So muss man dass machen! Da bringt es nichts, nach dem Einsperren zu rufen oder alle auszugrenzen. Nein, wir müssen intelligente, neue Formen finden, die besser sind als unsere manchmal etwas ritualisierte „Erinnerungskultur“. Das sage ich auch sehr selbstkritisch. Wir müssen uns dem stellen, und wir müssen dem ein positives Bild dagegensetzen.

Meiner Meinung nach – ich sage das auch sehr offen – ist in Wahrheit die Europäische Union die Antwort auf genau diese Probleme der Nazi-Zeit und des Schreckens, der damit entstanden ist. Dies sollte man doch gerade in diesem laufenden Europa­wahlkampf viel stärker betonen. Da geht es nicht um ein paar Zehntel-Prozent mehr Wirtschaftswachstum oder um Nettozahler und Nettoempfänger, sondern da geht es darum, dass dieses Europa, diese europäische Vereinigung, diese Europäische Union das Friedensprojekt ist, das tatsächliche ein „Nie wieder“ ermöglicht, auf das wir so stolz sind. – Das wollte ich sagen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten von SPÖ und BZÖ sowie des Abg. Neubauer.)

17.33


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Abg. Brosz: ... Van der Bellen! – Rufe bei ÖVP und SPÖ: Ge­schlossen ist geschlossen! – Abg. Dr. Fichtenbauer: Das ist geschäftsordnungs­widrig!) – Das war noch nicht am Bildschirm.

 


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