Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll26. Sitzung, 16. Juni 2009 / Seite 171

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präsentanten und Repräsentantinnen das Vertrauen schenkt, dieses Vertrauen auch selbst wieder entziehen? (Zwischenruf des Abg. Ing. Kapeller.)

Beim Bundespräsidenten ist das logisch: Das Volk hat gewählt, und es braucht ein spezielles Verfahren, um das Vertrauen wieder zu entziehen. Aber warum nehmen Sie diesen Weg beim Nationalratspräsidenten? – Das ist völlig unnachvollziehbar!

Sie vergleichen ihn außerdem mit Landeshauptleuten, mit Regierungsmitgliedern und übersehen dabei völlig, dass jeder Landeshauptmann seiner sozusagen Landesge­setzgebung verantwortlich ist: Jeder Landeshauptmann kann abgewählt werden! Jedes Mitglied der Bundesregierung kann mit einfacher Mehrheit jederzeit abgewählt werden (Abg. Kopf: „Abgewählt“?! „Abgewählt“?!) – jederzeit! –, das heißt, es kann ihm das Misstrauen ausgesprochen werden, um ganz präzise zu sein, das aber jederzeit, aus­schließlich aus politischen Gründen.

Sie haben überhaupt kein Problem damit, dass der Rechnungshofpräsident jederzeit von einer einfachen Mehrheit in diesem Haus abgewählt werden kann, das stört Sie offensichtlich überhaupt nicht. (Abg. Kopf: Wollen Sie das jetzt vergleichen?) – Nein, ich führe Ihnen nur die Unsinnigkeit Ihrer rechtspolitischen Argumentation vor Augen, weil sie das Problem nicht löst (Abg. Großruck: ..., Frau Oberlehrerin!) und tatsächlich ein ausschließliches Flüchten aus der politischen Verantwortung ist. Es ist nichts ande­res als der Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen. (Beifall bei den Grünen.)

Ein ehemaliger Nationalratspräsident, Kollege Khol, würde wahrscheinlich solch eine Verfassungsbestimmung und solch ein Vorgehen als Verfassungsschotter bezeich­nen.

Welcher Anlassfall fällt Ihnen denn ein? Es ist nicht das Problem von Martin Graf, die Verfassung zu brechen oder im Rahmen der Vorsitzführung zu verweigern, dass man Gesetze zur Abstimmung bringt – vielleicht fällt Ihnen ein Anlassfall ein; also mir ist kei­ner eingefallen –, das Problem vom Martin Graf ist ein politisches: dass er die Grenze nicht ziehen kann zu den Fragen unserer politischen Vergangenheit (Abg. Strache: Wer Ihnen nicht passt, wird diffamiert! Wer Ihnen nicht passt, wird diffamiert! – Zwi­schenruf des Abg. Kickl) und der Verantwortlichkeit des vierthöchsten Repräsentanten des Staates gegenüber religiösen Gemeinschaften in Österreich, von deren Gläubigen, wie gesagt, Tausende ermordet und vertrieben worden sind.

Ex-Präsident des Verfassungsgerichtshofes Korinek hat sich übrigens noch in einer anderen Weise auch geäußert, nicht zu Ihrem Vorschlag, er hat sich nämlich mit einem persönlichen Schreiben unter die mittlerweile 32 000 Menschen eingereiht, die den Rücktritt von Martin Graf gefordert haben. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben die Wahl: Sie können sich heute weiter hinter diesem Versteckungsvor­schlag verstecken, oder Sie bekennen klar Ihre Haltung und Ihre Position. Zumindest könnten Sie für den 30. Juni im Verfassungsausschuss Ihren Abgeordneten die Ab­stimmung freigeben, damit diese frei darüber entscheiden können, ob sie demjenigen, dem sie das Vertrauen gegeben haben, das Vertrauen auch wieder entziehen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: ... Angelegenheit!)

17.35


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte. (In den Reihen der Grünen wird ein Transparent mit der Aufschrift „WWW.RUECKTRITT-MARTIN-GRAF.AT“ entrollt. – Zwischenrufe.)


17.36.03

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben ja Gele­genheit gehabt, am Sonntagabend in der Fernsehdiskussion „im ZENTRUM“ dieses Thema abermals zu behandeln.

 


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