Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll39. Sitzung / Seite 79

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Zum Thema Armutsgrenze: Behinderte Menschen, und das wissen wir, sind zu 74 Prozent armutsgefährdet. Zum Glück haben wir in Österreich einen Sozialstaat, der diese Menschen so weit unterstützen kann, dass im Endeffekt nur mehr 20 Prozent wirklich von Armut betroffen sind. Und das ist wirklich ein guter Schritt. Das heißt, die sozialen Maßnahmen haben gegriffen – das sehen wir! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber nichtsdestotrotz sind unter den Menschen mit Behinderungen 20 Prozent von Armut betroffen, also doppelt so viele Menschen, und noch mehr davon betroffen sind behinderte Frauen. Sie haben geringere Einkommen, ihre Berufsbedingungen schauen schlechter aus, wenn überhaupt Arbeitsplätze da sind.

Ich möchte gerne noch weitere Beispiele dafür bringen, was Armut für diese Men­schen wirklich bedeutet. Sie wissen, es gibt Beschäftigungstherapie, das heißt, es gibt Menschen, die in Beschäftigungstherapie sind, und das, was sie verdienen, ist nicht ein Monatsgehalt, sondern das, was sie bekommen, ist ein Taschengeld. Das sind im Durchschnitt zirka 50 € im Monat, und das sind pro Tag etwa um die 2 €. Und das ist die niedrigste Form von Armut, diese Menschen sind am meisten betroffen.

Ich möchte noch auf ein weiteres Thema eingehen, auf das Thema Grundsicherung. Es gibt schon Schritte, wir gehen in Richtung Mindestsicherung, aber das sehe ich als erste Schritte an. Wenn wir aber von der Grundsicherung ausgehen, die bei 900 € liegt, so sind wir davon schon noch entfernt. Das heißt, Menschen mit Behinderungen, die nicht fähig sind, einer Arbeit nachzukommen, sind da nicht vorgesehen, und ob es für diese Menschen möglich ist, eine vollwertige Teilhabe am Leben zu haben, das stelle ich einmal in Frage.

Wir haben eine UN-Konvention, und Österreich hat diese UN-Konvention ratifiziert. Und was ist von dem bisher umgesetzt worden? Wer entscheidet nun: Wer bekommt ein Taschengeld? Wer entscheidet: Wer bekommt einen Arbeitsplatz? Müssen die Familien dafür Sorge tragen? Es geht um Menschen, Menschen, die ein Recht auf selbstbestimmtes Leben haben, auf Würde haben, auf ein unabhängiges Leben. Es ist nicht Ziel, dass wir die Familien belasten, denn damit haben wir eine nächste Gefahr: Es sind nämlich dann auch die Familien armutsgefährdet.

Das ist eine UN-Konvention: Wir haben verschiedenste Artikel – Artikel 29, Artikel 27 – in der UN-Konvention. Und einige denken: Na ja, die behinderten Menschen bekom­men ohnehin genügend Unterstützung, arbeiten nichts oder arbeiten vielleicht in geschützten Werkstätten; ist ja ganz nett, und vielleicht ein bisschen Taschengeld, das reicht für diese Menschen.

Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang jetzt ein Bild skizzieren: Stellen Sie sich einen Baum vor! Ein Affe, ein Vogel, ein Hund befinden sich unter diesem Baum. Und jetzt verlange ich von allen Tieren, dass sie auf den Baum hinaufklettern. – Sie werden es nicht schaffen.

Man kann nicht sagen, das eine Thema ist wichtiger und das andere Thema weniger wichtig. Wichtig ist, dass wir uns bewusst sind, dass alle Menschen gleich sind, gleich viel wert sind! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Minister! Liebe Regierungsparteien! Wir sind aufgefordert, und Sie sind aufge­fordert, die Punkte der UN-Konvention wirklich umzusetzen, um auch Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit auf vollständige Teilhabe am Leben zu geben! – Ich danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

14.54


Präsident Fritz Neugebauer: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Dr. Oberhauser zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite