Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 225

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doch genau auf eines ihrer Argumente ein bisschen näher eingehen, auf die sogenann­te Einzelfallprüfung.

Kollege Fichtenbauer, Sie haben selber die NS-Terrorjustiz in der Wehrmacht mit der Militärjustiz in den anderen Armeen des Zweiten Weltkriegs verglichen und die Unter­schiede festgestellt. Es wäre da vielleicht noch hinzuzufügen, dass es Schätzungen von Historikern gibt, die bis zu 50 000 vollstreckte Todesurteile reichen. Im Vergleich dazu gab es in Deutschland im Ersten Weltkrieg 48 vollstreckte Todesurteile. Das zeigt den Terrorgehalt dieser Urteile. Und wenn Sie sich diese Urteile anschauen – ich habe viele von ihnen gelesen –, Urteile, die im Geiste eines Roland Freisler geschrieben wurden, dann werden Sie doch nicht im Ernst glauben können, dass wir heute, 70 Jah­re nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, in der Lage sind, Motive zu erforschen. Diese Urteile und diese Akten strotzen vor nationalsozialistischer Propaganda, es sind Pam­phlete gegen die Verurteilten. Das hat mit Rechtssprechung überhaupt nichts zu tun. Aufgrund dieser Akten können wir heute beim besten Willen keine Einzelfallprüfung mehr vornehmen. Also das ist ein Ding der Unmöglichkeit, und von daher hat dieses Gesetz natürlich seine Berechtigung und seine absolute Notwendigkeit.

Deserteure im Zweiten Weltkrieg haben objektiv das Richtige getan. Sie haben objektiv das getan, was die Siegermächte, die späteren Siegermächte, am 1. November 1943 in der Moskauer Deklaration festgelegt haben. Sie haben einen Beitrag geleistet zur Wiedererrichtung Österreichs. Das ist von den Alliierten damals gefordert worden, und das haben Deserteure gemacht. Warum sie im Einzelfall diese Tat begangen haben, das ist heute aus dieser Sicht irrelevant, das ist in einer anderen Diskussion, glaube ich jedenfalls, von großem Interesse.

Eine besondere Freude ist für mich, da ich auch viel im südlichen Kärnten war, dass heute auch für verurteilte Kärntner Partisanen ein historischer Tag ist, denn da die Volksgerichtshofurteile insgesamt aufgehoben werden, haben jetzt auch viele zum Tod verurteilte Kärntner Partisanen, viele insgesamt verurteilte Kärntner Partisanen ihre Eh­re wiedererlangt. Auch sie mussten in diesem Staat leider allzu lange auf diesen histo­rischen Moment warten.

Insgesamt ist heute ein Tag, der dem Ansehen Österreichs guttut. Lassen Sie mich en­den mit einem Zitat aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 14. Oktober 2009. Dort schreibt Charles Ritterband – ich zitiere –:

Dieser Durchbruch ist vor allem einem überparteilichen Komitee mit dem heute 87-jäh­rigen Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani an der Spitze und dem während zehn Jahren hartnäckig geleisteten Einsatz der Grünen im Kampf gegen Tabus und Vorurtei­le zu verdanken. – Zitatende.

Ich glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Es ist für uns, das darf ich dazu sagen, ein großer Erfolg, es ist eine große Befriedigung für alle diejenigen, die sich für Ge­rechtigkeit, für eine neue Sicht auf die NS-Zeit eingesetzt haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Kopf.)

21.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl zu Wort; 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte. (Beifall und Bravoruf des Abg. Hörl in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Hakl.)

 


21.26.39

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Frau Präsi­dentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es scheint ja tatsächlich so zu sein, dass wir wie schon im Ausschuss in diesem Hohen Haus nur wenige Millimeter auseinan­derliegen, und es ist nie zu spät, vielleicht an einem noch deutlicheren Zeichen aus dem Parlament zur Rehabilitierung zahlreicher Personen aus der NS-Zeit mitzuwirken.

 


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