Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 227

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wir eine wesentlich bessere Grundlage, um zu diskutieren, und zwar nicht nur unter den drei Parteien, die hier diesen Beschluss gefasst haben, sondern auch mit den an­deren, die aus dem einen oder anderen Grund oder mehreren Gründen nicht überein­stimmen. Das können Sie an dieser Debatte ablesen, warum sie sich so deutlich von anderen Debatten unterscheidet. Das ist das eine.

Das Zweite, und damit komme ich sozusagen schon zum Kern der Kritik, die Sie ge­äußert haben, Herr Kollege Fichtenbauer, oder etwa auch Sie, Kollege Scheibner. Es ist absolut legitim, hier rechtstheoretische, rechtsdogmatische Gründe anzuführen, aber für mich geht es da schon in erster Linie um das pralle Leben. Das war auch der Grund für meinen Zwischenruf bei der Rede des Abgeordneten Stefan: die Mordfrage! Die Mordfrage praktisch betrachtet: Wenn ein Wehrmachtssoldat einen Menschen, der desertieren will, erschießt, dann war das Pflichterfüllung und kein Mord. Wenn ein De­serteur beim Versuch, sich von der Truppe abzusetzen, einen Offizier erschießt, und dazu gab es auch das Beispiel, das gebracht wurde, obwohl die Sondersituation nach der Kapitulation der Wehrmacht für uns einfach unvorstellbar ist, wenn also ein Deser­teur einen Offizier erschießt – das hat es ja, wie man aus der Forschung weiß, de facto nicht gegeben in Österreich, aber nehmen wir den Fall einmal an –, dann war das nach damaliger Rechtslage Mord. Da sehen Sie den Unterschied!

Da geht es einfach nur darum, dass wir – und es ist absolut richtig, denke ich, diese Entscheidung zu treffen – jetzt nicht richten über den Wehrmachtssoldaten, der den er­schossen hat, aber auch nicht prüfen, was die Motive beim Deserteur waren. Simpel darum geht es! Und das ist ein absolut befreiender Akt, dass diese Einzelfallprüfung beziehungsweise diese Motivprüfung – könnte da nicht doch ein niederes Motiv dahin­tergestanden haben, weswegen der desertiert ist? – wegfällt und dadurch auch für die Deserteure Klarheit geschaffen wird, aber nicht nur für die Deserteure, dass sie richtig gehandelt haben.

Kollege Weinzinger, das heißt noch immer nicht, dass wir die verurteilen, die bei der Wehrmacht gedient und geglaubt haben, ihre Pflicht zu erfüllen, denn sie haben nicht die Pflicht für diese Republik erfüllt, wenn sie die Pflicht erfüllt haben, dann haben sie sie für ein verbrecherisches Regime erfüllt. Es hat so viele Motivlagen, auch so viele Gründe gegeben, warum die in der Regel jungen Menschen das damals nicht erkannt haben. Sie sind hineingetrieben worden in einen verbrecherischen Krieg, und das gilt für Österreicher und Deutsche gleichermaßen.

Das ist der Grund, warum man nicht darüber richten sollte. Noch immer gilt aber: Die, die sich gegen diesen Krieg, gegen dieses Verbrechen, gegen dieses Terrorregime ge­wehrt haben, denen sollte in erster Linie unsere Anerkennung gelten. (Beifall bei den Grünen.)

21.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fich­tenbauer. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 2 Minuten. – Bitte.

 


21.35.41

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Es drängt mich, noch einige ergänzende Sätze hinzuzufügen.

Ich knüpfe daran an, was Kollege Scheibner gesagt hat. Wir trennten uns im Justizaus­schuss mit der in Aussicht genommenen Möglichkeit, den kritischen § 4, also den Re­habilitierungsparagraphen, durch einen Halbsatz zu ergänzen, dass diese pauschale Rehabilitierung – und der Inhalt dieser Rehabilitierung ist ja auch eine Wertstellungs­erklärung – durch eine Ausnahme, ohne dass es dadurch zur Einzelfallprüfung zu kom-


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