Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung / Seite 83

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Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte.

 


12.06.59

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen Bundesministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der Internatio­nale Tag der Menschenrechte. Es ist bemerkenswert, dass bis jetzt noch kein Red­ner/keine Rednerin darauf Bezug genommen hat. (Abg. Steibl: ... Tagesordnungs­punkt Kinderrechte!) Die Menschenrechte sind der Wegweiser, nach dem wir uns orientieren sollten, wenn wir Gesetze wie diese beschließen. Das tun wir heute leider nicht.

Wer sich für wen entscheidet, wer für wen Verantwortung übernehmen möchte – das war der einzige richtige Satz bei den Ausführungen der FPÖ –, geht weder die Politik noch den Staat etwas an. (Abg. Kickl: Von einer Partei, die sich mit dem Gedanken trägt,  müssen wir uns das nicht sagen lassen!) Es geht sie exakt nichts an. Unsere einzige Verpflichtung hier und heute ist, den Menschen die Möglichkeiten zu schaffen, dass sie im Sinne der Menschenrechte diskriminierungsfrei leben können und leben sollen. Das ist unsere Aufgabe, aber das geschieht leider mit diesem Gesetz heute nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Das Gesetz ist ein Fortschritt, das ist keine Frage. Es bringt bestimmte Erleichterun­gen, vor allem im sozialrechtlichen Bereich, aber es ist nach wie vor eine „eingetragene Diskriminierung“; man muss es bei diesem Namen nennen. Es macht nach wie vor einen Unterschied, und der größte Unterschied gruppiert sich um einen Begriff, nämlich um den Begriff „Familie“. Alles, was wie Familie aussieht, wie Familie riecht, möchte die ÖVP offensichtlich im Zusammenhang mit homosexuellen Partnerschaften nicht haben.

Ich verstehe das nicht. Sie können diese Familien – und die gibt es – nicht verhindern, Sie können sie nur in ihrer Lebensrealität behindern. Es ist allerdings Ihre Pflicht, ihnen zu helfen und sie zu unterstützen, denn auch sie übernehmen Verantwortung – im Üb­rigen auch für Kinder. Es gibt sie, die Regenbogenfamilien, selbstverständlich gibt es sie. Und das Absurde und das Perfide an diesem Gesetz ist, dass Sie ausgerechnet die Stiefkind-Adoption ausnehmen, dass Sie genau diesen Punkt ausnehmen, der für das Kindeswohl eigentlich am Allerwichtigsten wäre.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie leben zusammen mit einer Partnerin oder mit einem Partner, Sie bringen aus einer heterosexuellen Lebensgemeinschaft – oder vielleicht sogar aus einer Ehe – ein Kind oder zwei Kinder mit – so etwas soll es auch geben; Herr Kollege Grillitsch, Sie schauen völlig verzweifelt, aber das gibt es (Beifall bei den Grünen) –, und dann tritt der sehr, sehr bedauerliche tragische Fall ein, dass einer der beiden Partner stirbt. Ein Kind wird aus einem Familienverband herausgeris­sen, in dem es seit Jahren gelebt hat, in dem es einen Vater, einen zweiten Vater oder eine Mutter und eine andere Mutter als seine Eltern kennen- und lieben gelernt hat. – Sie, die immer vom Wohl des Kindes sprechen, sagen dazu, das sei in Ordnung so, diese Mutter/dieser Vater sei für das Kind dann wie ein Fremder.

Ich finde das nicht in Ordnung. Das ist eine echte Diskriminierung, und ich verstehe nicht, warum man das in einem Gesetz festhalten muss. (Beifall bei den Grünen.)

Die Frage Standesamt muss man auch noch einmal erläutern. Das ist mehr als eine Symbolik. Es ist offensichtlich gemeint als eine Demütigungsgeste gegenüber diesen Menschen, die in einem festlichen Rahmen zueinander Ja sagen wollen. Ich verstehe nicht, welches Argument man dagegen aufbringen kann, ihnen diese Geste zu verwei­gern. Ich kann es nur so deuten, dass es als Demütigung gemeint ist, dass es tatsäch-


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