Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung / Seite 104

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Die Wirtschaftskrise vor zwei Jahren ist dadurch ausgelöst worden, dass die Banken einander nicht mehr vertraut haben. Die Nationalbanken haben einander kein Geld mehr geliehen – international noch weniger. Der Staat musste einspringen und hat zum Teil gewaltige Garantieverpflichtungen übernommen. Und wenn das zu wackeln be­ginnt, dann entsteht eine ziemlich ernste Situation.

Damit wir die Zahlen nennen: Die europäischen Länder allein haben derzeit ungefähr 8 000 Milliarden € an Verpflichtungen, international und national. Allein im heurigen Jahr werden wir ungefähr 1 400, 1 500 Milliarden € an neuen Schulden aufnehmen oder umschulden müssen – die Amerikaner übrigens noch mehr, diese werden im heu­rigen Jahr ungefähr 2 500 Milliarden € umschulden oder neu aufnehmen müssen.

Das heißt, der entscheidende Punkt ist: Wird das geglaubt? Ist hinter dieser Garantie von Staatsanleihen, hinter diesen Papieren auch ein echter Wert? Und was ist, wenn das zu wackeln beginnt? – Griechenland ist deswegen so interessant, weil die Grie­chen ein vernünftiges und, wie ich glaube, von allen unterstütztes und gutgeheißenes Sanierungsprogramm aufgelegt haben. Wenn die Griechen A gesagt haben, dann muss man auch B dazu sagen und muss ihnen die Möglichkeit geben, eine glaubwür­dige Refinanzierung zu übernehmen.

Besonders absurd ist ja der Begriff des Bail-out: Bail-out heißt, dass man ein Land he­rauskauft, das nicht mehr zahlen kann. – Das ist aber nicht der Punkt. Die Griechen haben nicht darum gebeten, jetzt, weil sie insolvent sind, herausgekauft zu werden, sondern sie wollen umschulden – nichts anderes. Der Begriff Bail-out ist in diesem Zu­sammenhang völlig falsch. Was sie brauchen, ist eine glaubwürdige, garantierte Mög­lichkeit, ihre Kreditverbindlichkeiten umzuschulden.

Die Situation ist heute die, dass die Griechen etwa über 6 Prozent Zinsen bezahlen müssen, die Deutschen 3 Prozent; auch wir zahlen ungefähr so viel. Das heißt, allein diese Zinsdifferenz macht den gesamten Sanierungsgewinn, den die griechische Re­gierung jetzt schmerzhaft genug erreichen muss, praktisch zunichte.

Deswegen ist es so wichtig, dass wir von der Europäischen Union nicht nur A sagen – wunderbar, ihr habt ein Super-Sanierungsprogramm gemacht, und wir kontrollieren und überwachen es auch mit Eurostat und mit der Kommission –, sondern den Grie­chen auch die Möglichkeit geben, eine vernünftige Roll-Over-Kreditverbindlichkeit zu be­kommen.

Dafür gibt es drei Möglichkeiten – viel mehr ist mir nicht eingefallen, und das wissen ohnehin alle Ökonomen; Professor Van der Bellen wird nachher noch sprechen –: Man nimmt den IMF zu Hilfe; das ist erfolgt. Der IMF ist übrigens eine sehr etablierte und absolut in Ordnung befindliche internationale Körperschaft, die das machen kann; er hat auch für europäische Länder bereits einige Male eingegriffen. Die europäischen Länder zusammen sind der stärkste Einzelaktionär, wenn man ihre Anteile zusammen­rechnet; es ist also keine amerikanische Institution, der man misstrauen müsste, son­dern durchaus eine mehrheitlich von Europäern dominierte Institution, in der die Ameri­kaner natürlich auch eine große Rolle spielen.

Wenn man das nicht will, dann kann man eine europäische Institution heranziehen, zum Beispiel die EZB, die ja auch quasi nationale Banken finanziert, die dann ihrerseits wiederum nationale, zum Beispiel griechische, Staatsanleihen als Sicherheit hinter­legen. Also entweder macht es die EZB direkt oder die EIB, die EBRD oder die EU-Kommission – auch das hat es ja schon gegeben. Die Kommission hat ein genehmig­tes Volumen von etwa 50 Milliarden € zur Verfügung, sie hat es auch schon eingesetzt für Ungarn, für Lettland, für Rumänien; in Summe sind jetzt ungefähr 15 von den 50 Milliarden € verbraucht. Der IMF hat ungefähr 30 Milliarden dazugegeben, also eine Mischfinanzierung ist durchaus möglich. – Richtig ist, dass das bisher nur für Nicht-


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