Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung / Seite 112

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feld abzuklären, worauf sich die Ministerpräsidenten der 27 Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union einigen können – so dünn wie noch nie sind. Jedenfalls nach meiner Erinnerung habe ich so etwas noch nie gesehen, so ein Papierchen, in dem nur Allge­meinplätze stehen. In den wesentlichen Punkten, Herr Kollege Schüssel, ist eben eine Einigung nicht absehbar. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin ja ganz bei Ihnen, dass es wichtig und richtig wäre, dass sich die EU Ziele setzt, die dann in irgendeiner Weise auf nationaler Ebene modifiziert umgesetzt werden sol­len, aber gerade dieser Punkt fehlt in den Vorläufigen Schlussfolgerungen zu den so­genannten Kernzielen der Europäischen Union. Im Rahmen der „Agenda 2020“ ist ein leerer Raum vorgesehen. Das heißt auf gut Deutsch, es ist im Vorfeld nicht gelungen, hier eine Einigung zu erzielen, sondern es wird eben versucht, nächtens – wie es leider sehr oft üblich ist – irgendeinen Kompromiss zu erzielen. Ich glaube nicht, dass das im Sinne eines straffen und durchführbaren Programms der Europäischen Union ist. (Bei­fall bei den Grünen.)

Ähnliches gilt in diesen Vorläufigen Schlussfolgerungen für die zwei Seiten zum Klima­schutz, aus denen lediglich hervorgeht, dass die Europäische Union nach dem Gipfel von Kopenhagen nicht vorhat, irgendwelche besonderen Maßnahmen und Initiativen zu setzen, sondern erst einmal auf Zeit setzt. Herauszulesen ist jedenfalls nicht, wie die Europäische Union aus dieser Prisoner’s Dilemma-Situation herauskommen will. Das heißt, dass jeder Staat glaubt, er muss nichts tun, aber super wäre es, wenn die anderen etwas tun. Und wenn das jeder Staat macht, dann passiert am Ende genau das, was in Kopenhagen herausgekommen ist, nämlich gar nichts!

Auffällig an diesen Vorläufigen Schlussfolgerungen – und damit komme ich zum Haupt­thema – ist, dass genau dazu, womit wir uns seit sechs Wochen schlagzeilenmäßig, in­haltlich, aus Interesse beschäftigen, nämlich mit Griechenland, nicht ein einziges Wort steht, nicht ein einziges Wort! – Das ist schon interessant.

Es wäre ja möglich gewesen – und es wäre immer noch möglich –, dass die Mitglied­staaten der Eurozone gemeinsam mit der Kommission ein Programm für Griechenland entwickeln. Herr Dr. Schüssel hat ja schon die einzelnen Varianten, die es gibt – oder gäbe, muss man inzwischen eher sagen –, beschrieben.

Ursprünglich war die Position der EU eine andere. Ich kritisiere eher diesen Punkt, dass im Laufe der Wochen die Positionen der Mitgliedstaaten der EU und damit der EU insgesamt zunehmend unklarer, verwaschener und beliebig interpretierbar geworden sind. Ursprünglich, Mitte Februar, hieß es nach einem entsprechenden Gipfel, dass die Union bereit sei, Griechenland mit einem – nennen wir es – Hilfspaket unter die Arme zu greifen, ohne dass gesagt wurde, wie dieses Hilfspaket im Detail ausschauen könn­te und würde.

Immerhin: Allein diese Ankündigung hat ausgereicht, dass Griechenland in der Folge eine Anleihe über 5 Milliarden € auflegen konnte, die am Markt dreimal überzeichnet war. Das heißt, die Griechen hätten auch 15 Milliarden € zu diesen Bedingungen auf­nehmen können, allerdings zu Bedingungen, die wir aus österreichischer Sicht für pro­hibitiv halten würden, nämlich 6,2, 6,3 Prozent – in dieser Größenordnung –, in etwa fast das Doppelte wie das, was Deutschland für eine zehnjährige Anleihe bezahlen müsste. Das war Ende Februar, Anfang März.

Inzwischen scheint sich die deutsche Weltsicht verändert zu haben. Und man muss schon ein ausgesprochener Schelm sein, um zu glauben, dass das irgendetwas mit den Wahlen in Nordrhein-Westfalen zu tun haben könnte. Natürlich sind solche Hilfspa­kete nirgends populär, und in Deutschland sind sie besonders unpopulär.

Es ist mittlerweile völlig unklar, ob sich der Europäische Rat in Bezug auf Griechenland auf irgendetwas wird einigen können. Bundeskanzlerin Merkel war jedenfalls bis ges-


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