Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung / Seite 115

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Treu und Glauben, das ist Hoffnung und das ist teurer. (Abg. Scheibner: Haben Sie noch so ein paar Seminarbeispiele? – Heiterkeit des Redners.)

Meine Damen und Herren, dass die griechischen Zinsen höher sind als die deutschen, fast um das Doppelte derzeit, und höher, erheblich höher als die österreichischen, ja das ist bedauerlich und das erhöht natürlich die Schwierigkeiten Griechenlands, aus dem Schlamassel wieder herauszukommen, aber das ist die Folge der Krise und nicht die Ursache der Krise. Und solange die Griechen die Ursachen nicht bewältigen, wer­den sie die hohen Zinsen nicht loswerden können. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Schüssel.)

Ich gehe deswegen so lange darauf ein, weil es ja Bestrebungen in Deutschland, aber auch in anderen Ländern der Europäischen Union gibt, quer durch alle politischen Par­teien, soweit ich sehen kann, Credit Default Swaps, diese Art von Kreditversicherung, zu verbieten oder zu erschweren. Ich halte das für einen Unsinn. Wenn man Kredit­versicherungen erschwert, dann zwingt man die Gläubiger dazu, im Zinssatz direkt hö­her hinaufzugehen. Das ist alles. An der Krise selbst und an den hohen Zinssätzen wird das nicht das Geringste ändern.

Was Deutschland als Exportweltmeister betrifft, so hat Herr Dr. Schüssel schon dazu Stellung genommen. Es ist schon sehr witzig, was hier von manchen implizit insinuiert wird: Die Deutschen mögen doch ein bisschen weniger wettbewerbsfähig werden, da­mit die Griechen und andere, die sogenannten PIGS, ein bisschen wettbewerbsfähiger werden. – Tut mir leid, im Englischen hat sich diese Abkürzung für Portugal, Italien, Griechenland und Spanien eingebürgert. – Das ist natürlich Unsinn.

Aber woran etwas ist, ist erstens: Kein Land kann auf die Dauer – die Dauer kann na­türlich lange sein, sagen wir 20 Jahre – immer nur Exportweltmeister sein. Das setzt ja voraus, dass andere immer nur Importweltmeister sind. Das geht auf die Dauer nicht, da muss es einen Ausgleich geben.

Die Chinesen haben das bisher – wie soll ich sagen? – auf eine raffinierte, aber nicht nachahmenswerte Weise geregelt, indem sie de facto den Amerikanern das Geld lei­hen, damit die Amerikaner aus China chinesische Waren beziehen. So gleicht sich das – unter Anführungszeichen – „in der Zahlungsbilanz“ aus. Beide machen sich wechselseitig erpressbar. Die Chinesen können jetzt nicht mehr aus, auch wenn sie wollten, weil sie so hohe Dollarbestände haben. – Das ist also nicht besonders nachah­menswert.

Was aber richtig ist – prinzipiell richtig, jetzt ganz abgesehen von dieser kleinen Pole­mik, die sich da international abspielt –, ist, dass es natürlich für die gesamte Eurozone wünschenswert wäre, wenn der Privatkonsum und die privaten Investitionen in Deutschland höher wären als jetzt, weil alle davon profitieren würden. Es ist vollkom­men aberwitzig zu verlangen, dass auf der Stelle die deutschen Löhne steigen, damit die Deutschen mehr nach Griechenland fahren, damit das besser für die dortige Leis­tungsbilanz ist. Auf diese Art wird man die Krise nicht lösen. Aber eine etwas weniger restriktive Binnennachfragepolitik in Deutschland wäre durchaus wünschenswert.

Wo stehen wir jetzt? – Herr Minister Spindelegger, ich verstehe das, an Ihrer Stelle würde ich auch so diplomatisch vorgehen. Morgen ist Herr Bundeskanzler Faymann beim EU-Gipfel, und es muss irgendwie beunruhigend sein zu sehen, dass es weder in der Vorbereitung gelungen ist, diesbezüglich mehr Konsens zu erzielen, beziehungs­weise die Außenminister, wenn ich das richtig sehe, jetzt nicht mehr bei diesen Gipfel­treffen dabei sind.

Ich bin neugierig, was passieren wird. Die Schlagzeile gestern in der „Financial Times“ war: „Barroso demands solidarity on Greece“. – Er verlangt Solidarität, was Griechen­land betrifft.

 


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