Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 55

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11.33.18

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Ihre Präsentationen, Herr Minister, sind für mich immer sehr beein­druckend – mit den vielen Zahlen, mit den vielen Maßnahmen, Programmen, Pro­jekten, die Sie uns da vorstellen –, aber es drängt sich halt immer die Frage auf: Ist das auch wirklich das, was wir jetzt brauchen? Und vor allem: Ist es auch das, was die junge Generation jetzt für ihre Zukunft braucht?

14 Prozent aller Jugendlichen beherrschen Grundfähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen nicht. Diese Menschen haben überhaupt keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, und es ist eigentlich nicht einzusehen, warum die Arbeitsmarktpolitik das systematische Versagen des Bildungswesens immer kompensieren muss. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien und auch Herr Minister! Sie müssen endlich die Bildungsreform vorantreiben! Das ist essenziell für die Zukunft des österreichischen Arbeitsmarktes. (Ruf bei der SPÖ: Wer blockiert denn ...?)

Zweiter Punkt: Momentan suchen über 5 000 Menschen – junge Menschen – eine Lehrstelle. Wir wissen, mit Ende des Schuljahres werden es noch einmal so viele werden, doppelt so viele. Die Tatsache, dass es in Österreich zu wenige betriebliche Lehrplätze gibt, ist ja kein Phänomen der aktuellen Krise, sondern das war schon in den letzten Jahren so. Sie setzen jetzt Maßnahmen, die die Jugendlichen zumindest einmal „weg von der Straße“, weg vom Computer holen. Aber genügt das? – Ich möchte Ihnen schon sagen, wie sich das in der Praxis immer wieder abspielt:

Ein 16-Jähriger – nennen wir ihn „Max“ – geht zum AMS und meldet sich als Lehr­stellensuchender. Innerhalb von vielleicht vier Wochen, wenn ein Platz frei ist, wird er einem sogenannten Vorbereitungskurs zugewiesen. Danach ist, wenn er Glück hat, ein Platz in der überbetrieblichen Ausbildung frei. Die findet aber nicht nur in Ausbil­dungslehrwerkstätten statt, sondern auch in sogenannten Ausbildungsverbünden. Das heißt, ein Kursanbieter und ein Unternehmer schließen sich zusammen und sagen: Okay, sechs Monate lang ist das eine überbetriebliche Ausbildung.

Jetzt ist mir Folgendes zu Ohren gekommen: Diese Unternehmen in den Ausbil­dungs­verbünden haben nicht einmal alle die Befähigung, Lehrlinge auszubilden! Es gibt Lehrlinge, die sehen in den gesamten sechs Monaten dieses Unternehmen nie! Und dieses Unternehmen denkt nicht im Traum daran, diesen Lehrling nach den sechs Monaten fix zu übernehmen – und das wäre ja eigentlich der Sinn der Sache.

Meine Damen und Herren, es holpert ziemlich in dieser überbetrieblichen Ausbildung! Herr Minister, ich denke, Sie müssen da einfach genauer hinschauen. Wir nehmen da so viel Geld – zu Recht! – in die Hand, aber es kann nicht sein, dass Jugendliche einfach irgendwo zwischengeparkt sind. Das können wir uns nicht leisten.

Klar ist auch der wirkliche Kern des Problems, nämlich das Fehlen der betrieblichen Ausbildungsplätze. Da schauen Sie eigentlich überhaupt nicht hin. Es ist wichtig, dass Sie sich mit dem Wirtschaftsminister zusammensetzen und endlich eine Reform der Lehrlingsausbildung angehen, eine Reform der dualen Ausbildung, die reif ist für das 21. Jahrhundert. Herr Minister, in diesem Bereich vermisse ich leider eine Initiative von Ihnen bisher völlig. Eine solche wäre aber dringend notwendig.

Schließlich noch ein dritter Punkt: „Generation Praktikum“. – Herr Minister, seit Sie im Amt sind, weise ich Sie immer wieder darauf hin, dass in Österreich junge Akademiker und Akademikerinnen systematisch als Billigarbeitskräfte ausgebeutet werden, als sogenannte Praktikanten und Praktikantinnen. Herr Minister, ich vermisse Initiativen von Ihnen, die in Richtung einer Verbesserung der prekären Situation dieser jungen


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