Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung / Seite 37

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Schönborn weiterführen, denn ich glaube, dass auch er in einem Diskurs anerkennt, dass diese Kommission zur Einseitigkeit beiträgt. Ich möchte das jetzt nicht als negativ bezeichnen, aber wenn die katholische Kirche hier quasi die Kommission einsetzt, den­ken natürlich viele Opfer, dass sie nicht dorthin gehen möchten. Sie möchten für sich in Anspruch nehmen, jemandem ihre Geschichte erzählen und diese aufarbeiten zu kön­nen. Wir haben ja gesehen: Viele der betroffenen Menschen sind 40, 50 oder 60 Jahre alt. Es hat lange gedauert, bis sie jetzt endlich den Mut gefasst haben, teils in der Öf­fentlichkeit und teils privat ihre Leidensgeschichte zu erzählen. Das ist nicht leicht und einfach, da muss Vertraulichkeit gegeben sein, und diese Einrichtung muss vor allem eine außer jedem Verdacht stehende übergeordnete Position haben.

Frau Bundesminister für Justiz! Der runde Tisch hat sicherlich eine Möglichkeit geboten, die zukünftige Vorgangsweise sicherzustellen. Wenn ich aber die Folgen für die einzel­nen Betroffenen betrachte, dass sie etwa auch zu Tätern werden können, dann glaube ich doch, dass sich in erster Linie der Justizbereich damit auseinandersetzen muss.

Wir haben auch erlebt, dass es Entschädigungsfonds gibt, die sehr effizient und rasch Hilfe geben können. Es ist wichtig, hier Therapie anzubieten und den Personen so zu helfen, dass sie dann nicht ihrerseits zu Problemfällen werden. Es muss schlicht und einfach geholfen werden, und zwar rasch, unbürokratisch und mit Rücksicht darauf, wie der Einzelne das will, öffentlich oder aber in seiner ganzen Privatheit.

Wir haben gesehen, dass es in Amerika derartige Opferfonds gibt, die sehr gut funktio­nieren, und Kardinal Schönborn hat auch angeboten, dass darüber diskutiert wird. Ich glaube, man muss einen derartigen Opferfonds so konstruieren, dass quasi nach dem Verursacherprinzip entschieden wird, wer hier hauptsächlich einbezahlt.

Ich glaube, dass die Gespräche eine vernünftige Lösung im Sinne der Opfer und im Sinne des Staates insgesamt bringen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ so­wie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

9.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Kollege Neugebauer. – Bitte.

 


9.29.19

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungsmit­glieder! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte versuchen – abge­sehen von der Beachtung des berechtigten Anliegens betreffend eine Entschädigung für die Opfer –, da ein wenig tiefer zu gehen.

Zunächst möchte ich meinen Respekt gegenüber jenen Betroffenen zum Ausdruck bringen, die nach langer Zeit die Kraft gefunden haben, über ihre Verletzungen zu reden.

Ich denke, dass wir diese Situation auch als Chance nützen sollten, die Diskussion so zu führen, dass auch jenen Mut gemacht wird, die bis jetzt nicht darüber geredet ha­ben oder nicht darüber reden wollten. Diese aufbrechende, wünschenswerte Offenheit darf nicht durch billigen Populismus zugeschüttet werden, meine Damen und Herren!

In der Vergangenheit geschah viel – und es geschieht viel. Ich denke jetzt etwa an das Kinderschutzzentrum für physisch, psychisch oder sexuell missbrauchte Kinder, die Martina Fasslabend prioritär betreut, die „Möwe“. Wir wissen ganz genau, dass es für jemanden umso schwieriger ist und umso länger dauert, die Hürde des Sich-Anvertrau­ens zu überwinden, je jünger er in die Falle des Missbrauches kommt und je länger er missbraucht wird. Junge Menschen brauchen etwa sieben Anläufe und oft überhaupt mehrere Monate und Jahre, um diese Schwelle des Sich-Mitteilen-Könnens zu über­winden.

 


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