Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung / Seite 69

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Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

 


11.36.24

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Da stimmt was nicht mit dem Rednerpult – na gut. (Abg. Mag. Gaßner: Der Grillitsch hat das zusammengehaut!) Kollege Grillitsch ist schuld, seit seiner Rede funktioniert es nicht mehr. (Abg. Mag. Gaß­ner: ... mit dem Maschinenring her! – Heiterkeit.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Titel dieser Aktuellen Stunde zu Europa kommt das Stichwort Finanzmarktarchitektur vor. Mit Recht, nur hat Kollege Cap, glaube ich, nicht ausreichend darauf hingewiesen, was mit dieser neuen Finanzmarkt­architektur – Herr Kollege Weinzinger, ja, ein komisches Wort – gemeint ist. Eine euro­päische Bankenaufsicht vor allem ist damit gemeint, und dass die nicht vom Fleck kommt, nicht wegen der Untätigkeit der Kommission, die Kommission ist in diesem Zu­sammenhang sogar sehr tätig, und auch nicht wegen des Europäischen Parlaments, sondern weil einzelne Mitgliedstaaten das wieder zu blockieren beginnen, darunter Deutschland und Großbritannien. Kommissar Barnier hat sich dieses Wochenende kein Blatt vor den Mund genommen aufgrund der Blockadeversuche des Rates, des Ecofin gegenüber der Kommission und dem Europäischen Parlament.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist. Wir brau­chen noch eine andere Architektur dazu, ich nenne es einmal die Architektur der euro­päischen Finanzpolitik, neben einer neuen Bankenaufsicht, neben einer neuen Finanz­marktaufsicht, auch eine ganz andere Koordinierung der Finanzpolitiken.

Zum aktuellen Beispiel Griechenland: Griechenland ist in mehrfacher Hinsicht – ich würde einmal sagen – akademisch interessant, aber finanz- und wirtschaftspolitisch ex­trem besorgniserregend. Und die Performance der Euro-Zonen-Mitglieder EU-15 außer Griechenland selbst ist in dieser Hinsicht nicht gerade unheimlich beeindruckend. Seit Jänner gibt es hier ein Herumgeeiere, was zu tun ist oder nicht zu tun ist. Es gibt ein Rescue-Package, also ein Rettungspaket, das jetzt gerade einmal zehn Tage alt ist oder so.

Und wie haben die Märkte auf dieses Rescue-Package reagiert? – Im Wesentlichen negativ mit höheren Zinssätzen für griechische Kredite, höheren Spreads, höheren Ri­sikoprämien und so weiter. Es ist auch kein Wunder, wenn man sich das im Detail an­schaut. Ich gehe das nicht durch, aber nur als Hinweis: Ein gutes Drittel dieses 30 Mil­liarden-Rettungspaketes der Euro-Zonen-Mitglieder soll zusammen genommen von den Ländern Irland, Portugal, Spanien und Italien kommen. Das ist schon bemerkens­wert. Ich dachte, das sind gerade die Länder, die sozusagen hinter Griechenland mit ih­ren finanzpolitischen Problemen anstehen. Und die sollen jetzt im Ernstfall über 10 Mil­liarden € aufbringen? Das ist schon witzig, das ist schon ziemlich witzig. Und, und, und.

Als wesentlich ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die Finanzmärkte, al­so die potentiellen Gläubiger Griechenlands, insofern negativ auf dieses Paket reagiert haben, als die Kommentatoren in der „Financial Times“, im „Economist“ und so weiter zunehmend der Meinung sind, der Default – also die Zahlungsunfähigkeit – Griechen­lands ist nicht nur eine Frage des Ob, sondern des Wann. Wann wird Griechenland zahlungsunfähig? Mit diesem Rettungspaket zusammen mit der Hilfe des IMF – des In­ternationalen Währungsfonds – wird diese Frist vielleicht um drei Jahre verlängert, weil sich das Paket nun einmal auf diese Zeit bezieht. Aber was ist dann?

Das ist schon eine unabwendbare, uns tangierende Frage, weil es gar nicht so sehr um die Frage geht: Retten „wir“ – unter Anführungszeichen; also die Eurozone – Griechen­land?, sondern um die Frage: Retten – oder unterstützen, welchen Ausdruck auch im­mer Sie hier für angemessen halten – wir Griechenland oder unterstützen wir wieder ein­mal die europäischen Banken, nämlich die Gläubiger Griechenlands?

 


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