Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll64. Sitzung / Seite 55

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort. 10 Minuten Redezeit. (Anhaltende Zwischenrufe beim BZÖ.) Darf ich um etwas mehr Ruhe bitten, es ist derart laut im Saal!

Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.53.13

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer nun wirklich Aufsichtsratsmitglied in der Kärnten-Hypo war, das werden wir vielleicht außerhalb des Plenums klären.

Zur Situation: Es ist ja zweifellos so, dass wir in sehr interessanten Zeiten leben, aller­dings im Sinne der chinesischen Verwünschung; im Chinesischen ist es ja angeblich ein Fluch, wenn man sagt: Mögest du in interessanten Zeiten leben!

Wir haben Jahrzehnte weniger interessanter Zeiten hinter uns, also werden wir auch diese sehr „interessanten Zeiten“ bewältigen oder hoffentlich bewältigen.

Ich muss gestehen, dass ich im Februar dieses Jahres der Meinung war, man sollte Griechenland sich selbst überlassen: Griechenland mit ungefähr 2,5 Prozent des BIP der Euro-Zone, was soll’s? Werden sie eben Schritt für Schritt, wenn alles schiefgeht, in Default gehen, also Zahlungsunfähigkeit erklären müssen: 10 Milliarden da, 10 Mil­liarden dort, und so weiter. Es kann ja keine Rede davon sein, dass die rund 300 Mil­liarden Staatsschulden Griechenlands auf einmal fällig werden. Auf diese Weise hätte man die Gläubiger angemessen an der Misere beteiligt. Denn es ist nun einmal so – das kennen alle, die schon privat in Konkurs oder in den Ausgleich gegangen sind; man kennt das aus dem Firmenleben –: Wenn eine Firma in den Ausgleich oder in Konkurs geht, wer trägt dann den Schaden? – Selbstverständlich kommen da die Gläu­biger dran, die bei einem Konkursverfahren auf 10, 40, 60, im ungünstigsten Fall auf 90 Prozent ihrer Forderungen verzichten müssen.

Ähnlich ist es auch, wenn ein Staat Zahlungsunfähigkeit erklären muss oder will. Sehr häufig kommt man aber damit davon, dass man einfach Zahlungserstreckung gewährt, Verlängerung der Fristigkeit der Schuld.

Das war im Februar, aber mittlerweile musste ich meine Meinung ändern, und zwar hauptsächlich wegen des komplett unprofessionellen Vorgehens der Finanzminister, aber insbesondere der Ministerpräsidenten der Europäischen Union. Und unter diesen war auch Frau Bundeskanzlerin Merkel, die sich in diesen Monaten, finde ich, völlig un­professionell verhalten hat. Mir ist es unverständlich, dass es da keine Berater oder Beraterinnen gegeben hat, die sie anderweitig belehrt hätten.

Deutschland im Speziellen hat in diesen Monaten durch widersprüchliche Aussagen – regelmäßig waren Schäuble und Merkel nicht einer Meinung, regelmäßig hat die eine den anderen oder umgekehrt in aller Öffentlichkeit korrigiert, und das mit substanzlo­sen Behauptungen, mit substanzlosen Vorschlägen, die erst Jahre später, wenn über­haupt, verwirklicht werden können – die Finanzmärkte hingehalten und hat vollkommen unterschätzt, dass man Finanzmärkte schon eine Zeit lang hinhalten kann – aber wenn das Dach brennt, dann nützt keine Beschwörung mehr!

Ich bin ja nur heilfroh, dass man in letzter Sekunde doch noch den IWF, den Internatio­nalen Währungsfonds, beigezogen hat, weil die dort noch ein bisschen Professionalität in das Ganze hineingebracht haben. Das Paket wurde deutlich erhöht, aber der Zeit­raum wurde unter anderem verändert: nicht bis 2012, sondern bis 2014 soll Griechen­land diese enorm anspruchsvollen und ehrgeizigen Ziele erreichen.

Mittlerweile habe ich also meine Meinung geändert, weil sozusagen die Ansteckungs­gefahr einfach zu groß geworden ist, meine Damen und Herren. Wenn Griechenland allein das Problem wäre, dann würde ich meinen: Das wäre handhabbar. Das traue ich


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