Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 153

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.43.39

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Es gibt ein gemeinsames Regierungsübereinkommen von SPÖ und ÖVP mit klaren rechtspolitischen Zielsetzungen. Wir haben bisher zahl­reiche dieser Anliegen bereits beschließen können, die meisten dieser Anliegen ein­stimmig im Parlament. Wir sehen daher überhaupt keine Veranlassung, diesem Miss­trauensantrag des BZÖ nahezutreten (demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Bartenstein), weil es eine erfolgreiche Rechtspolitik war. (Beifall bei der ÖVP.)

Dessen ungeachtet gibt es natürlich, und der Klubobmann der ÖVP Karlheinz Kopf hat darauf hingewiesen, auch individuelle Fehler – ich würde das ergänzen: auch struk­turelle Fehler – in der Justiz, über die wir gemeinsam nachdenken müssen, die wir gemeinsam diskutieren müssen. Und ich bin dir sehr dankbar, dass du das Problem des Vorverfahrens der Strafprozessnovelle angesprochen hast. Die Frau Bundesminis­terin hat uns zugesichert, dass wir im November den Evaluierungsbericht bekommen werden, und ich glaube, wir werden uns sehr lange und sehr intensiv mit den offenen Fragen auseinandersetzen müssen, nicht nur was die Rolle der Staatsanwaltschaften betrifft, sondern auch ob die Ziele dieser Strafprozessreform tatsächlich erreicht wurden. Ich denke hier insbesondere an die Stellung der Opfer. Die Stellung der Opfer wurde ja gestärkt. Gleichzeitig sollte auch erreicht werden, dass geschädigte Personen leichter Privatbeteiligtenanschlüsse erklären können. Nur: Wenn man analysiert, dann stellt man fest, dass es gegenüber der alten Rechtslage weniger geworden sind. Und ich glaube, all diese Probleme sollten wir gemeinsam diskutieren.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über eines müssen wir uns auch im Klaren sein: Es gibt derzeit in unserer Gesellschaft eine sehr bedenkliche Stimmungslage gegen die Justiz. Menschen haben zunehmend den Eindruck gewon­nen, dass durch die Justiz nicht alle gleich behandelt werden. Gegen Promi­nente gäbe es eine nicht nachvollziehbare Zurückhaltung. Bei einer aktuellen Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts IMAS klagten 83 Prozent der Österreicher über Miss­stände im Land. Die überwiegende Mehrheit ist überzeugt, es gäbe in Österreich heutzutage mehr Korruption als in früheren Zeiten.

Nun wird, Frau Bundesministerin, mit dieser Kritik zunehmend auch die Objektivität und die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt. (Demonstrativer Beifall des Abg. Petzner.) Es gibt nämlich bei den Menschen den Eindruck von Klassenjustiz unter Bevorzugung bestimmter Personen. (Demonstrativer Beifall beim BZÖ.) 82 Prozent der Befragten hegen Misstrauen, was die Gleichbehandlung aller Bürger betrifft.

Ich glaube, mit dieser Einstellung müssen wir uns auseinandersetzen. Es gibt auch aus Sicht der Medien ein gestörtes Verhältnis zwischen der Justiz und der Öffentlichkeit. Es fehlt zumindest eines: ein aktives Informationsmanagement der Justiz in der Öffent­lichkeit. Das wurde auch vom neuen Sektionschef Dr. Pilnacek in einem Interview gegenüber den „Salzburger Nachrichten“ bestätigt.

Erlauben Sie mir noch eine auch persönliche Feststellung: Ich habe den Eindruck ge­won­nen, wenn Missstände und Fehler in der Justiz öffentlich bekannt werden und unabhängige Kontrollen eingefordert werden, dann wird abgeblockt, oft mit dem Hinweis auf Amtsverschwiegenheit. Ja es gibt sogar Maulkorberlässe! Engagierte Be­amte werden damit kaltgestellt.

Jede externe Kontrolle wird vom Justizapparat und den Interessenvertretern – ich betone: den Interessenvertretern in der Justiz – lautstark abgelehnt, denn: Die Justiz kontrolliere sich selbst.

 


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