Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 244

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16.12.23

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich ha­be die Debatte Anfang Dezember diesmal etwas anders erlebt als bei den PISA-Ver­öffentlichungen bis dorthin. Die ersten drei habe ich als Bildungssprecher mitbekom­men, jetzt hat das Kollege Walser übernommen, und das schafft auch eine gewisse Dis­tanz zu diesem alltäglichen Reagieren-Müssen.

Ich habe das dann einmal Revue passieren lassen. Ich kann mich noch gut erinnern: Als die erste PISA-Studie gekommen ist, hat es damals eine „Cordoba-Debatte“ gege­ben, wonach Österreich so viel besser als Deutschland gewesen ist. Und damit war die Debatte um die ersten PISA-Ergebnisse auch schon verebbt. Umso schwieriger, denn das war im Jahr 2001, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, und wenn man jetzt zu­rückdenkt, wie lange das her ist, dann weiß man, dass die Kinder, die jetzt bei der letzten PISA-Studie einbezogen waren, eigentlich den Großteil ihrer Schulkarriere ab­solviert haben, nachdem die erste PISA-Studie gekommen ist. In diesen neun Jahren kann man, was die Ergebnisse betrifft, sagen – lassen wir das mit den Schwierigkeiten bei der Erhebung jetzt einmal weg –: Dass bei uns ein Trend nach oben festzustellen wäre, das kann man in Summe einfach nicht wirklich konstatieren. Das liegt, glaube ich, unabhängig von der Schultypen-Diskussion, schon ein bisschen auch an den Kern­elementen, wie diese Debatte geführt wird.

Ich habe mittlerweile die Perspektive noch in einer zweiten Form gewechselt: Meine Kinder sind jetzt elf und dreizehn und sind so richtig in der Gymnasialzeit gelandet. (Abg. Dr. Rosenkranz: Na, schämen Sie sich!) Dort hat man dann die Diskussion: Wir haben Schularbeit! – Wenn man sich die Eltern im Umfeld anschaut, dann weiß man in etwa auch, wie die Nachmittage ablaufen und wo Lernen im hohen Ausmaß stattfindet: nämlich nicht in der Schule, sondern in einem hohen Ausmaß nach wie vor auch bei den Eltern. Man kann sich in etwa ausrechnen, welchen Anteil die Möglichkeit der El­tern ausmacht, sich mit den Kindern auseinanderzusetzen, ihnen auch zu helfen, und wie das die Kinder von jenen unterscheidet, wo das zu Hause nicht der Fall ist.

Generell betrachtet muss man schon sagen, dass die Neue Mittelschule bei allen Vor­teilen, die sie auch bietet, bei allen besseren Möglichkeiten, zum Teil mit mehr Res­sourcen, eines nicht überwunden hat, nämlich die frühe Aufteilung der Kinder. Wir ha­ben noch einen Schultyp mehr dazubekommen, wir haben keine Form des Zusammen­führens der Schule. Und lassen wir da jetzt einmal die ideologische Fragestellung weg, das ist gar nicht so sehr der Punkt, sondern ich glaube, dass es viel eher darum geht, wie eigentlich Unterricht und wie Lernen verstanden wird. Und solange wir noch immer die Diskussion führen: braucht es Leistungsgruppen?, braucht es eine Differenzie­rung?, gehen wir von einem Bild aus, wo man Kinder in Gruppen zusammenfasst, und dann gibt es eine Gruppe, und für die gibt es für alle gemeinsam den optimalen Unter­richt. Wir müssen endlich von diesem Bild wegkommen und davon ausgehen, dass je­des Kind unterschiedlich ist, dass jedes Kind unterschiedlich lernt. Und am aller­wichtigsten ist, glaube ich, dass die Selbständigkeit beim Lernen in den Mittelpunkt rü­cken muss.

Ich kann Ihnen sagen, wenn Sie als Vater von 11- und 13-jährigen Kindern erleben, wie Schule heute noch funktioniert, dann ist es in vielen Fällen so, dass sie sich von meiner Schulzeit überhaupt nicht unterscheidet, und das ist jetzt mittlerweile in etwa 30 Jahre her – abgesehen davon, dass sie originellerweise zum Teil die gleichen Lehrer haben, die ich gehabt habe, wenn man so die gleiche Schulkarriere durchgeht. Aber wenn man sich anschaut, wie Schule sich verändert hat, dann muss man sagen: Wenn wir in anderen Berufen so wenig an Innovation mitbekommen hätten, dann wäre das ein or­dentliches Problem. Der Kernpunkt der weiteren Schulentwicklung ist meiner Ansicht nach einfach, dass die Selbständigkeit beim Lernen in den Mittelpunkt rücken muss. (Beifall bei den Grünen.)

 


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