Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 68

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Die europäische Politik tut so, als ob sie Zeit hätte. Wir kennen das aus Österreich. Über die Föderalismusreform diskutieren wir seit 60 Jahren, und es geht nichts weiter. Aber in diesem Fall haben wir nicht 60 Jahre Zeit, wir haben nicht einmal zwei Jahre Zeit. Die europäische Politik, so rasch sie manchmal auch zu reagieren versucht, lässt sich, was die Reaktion von Finanzmärkten betrifft, zu viel Zeit. Es gibt andere Pri­oritäten. Die sechs Richtlinien, die wir vorgestern im EU-Unterausschuss diskutiert haben, sind zum Teil wichtig und richtig, aber sie betreffen nicht die Kernfrage.

Die akute Kernfrage lautet (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen): Was machen wir mit Griechenland – dort ist die Insolvenzkrise klar –, was machen wir mit Irland? In beiden Fällen werden wir mit Schuldabschlägen von 30 bis 50 Prozent rechnen müssen. Wie gehen wir in Europa mit solchen Fragen um? – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.07


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Bucher. – Bitte.

 


11.07.46

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler, selbst­verständlich sind Sie in Bezug auf Ihren Brief, den Sie im Jahr 2008 an die „Kronen Zeitung“ geschrieben haben, wortbrüchig geworden, denn: Wann, wenn nicht dann, wenn es um das Geld der Steuerzahler geht, das wir für marode EU-Länder zur Verfügung stellen, muss das Volk befragt werden? Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist doch der entscheidende Punkt, um den es geht. Es sind Milliar­denbeträge an Haftungen, Garantien und Geldspritzen für die Banken zur Verfügung gestellt worden. Und das berührt die Bevölkerung mehr als jede einzelne Vertrags­änderung im europäischen Reformvertrag oder in der Verfassung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der eigentliche Punkt. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Aber dass die rot-schwarzen Regierungspolitiker ständig ihr Wort brechen und es mit Versprechungen nicht ernst nehmen, das erleben wir ja beinahe tagtäglich. Ich erinnere nur an Bankenminister Pröll, der in Interviews immer wieder betont hat: keine neuen und keine höheren Steuern! Wenige Wochen, wenige Monate später haben wir von Rot und Schwarz das größte Steuer- und Belastungspaket präsentiert bekom­men. – Das ist Wortbruch par excellence, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Immer wieder dasselbe Bild – auch jetzt in dieser Aktuellen Europastunde wieder einmal –: Wenn es darum geht, die Bevölkerung mitzunehmen auf den gemeinsamen Weg Europas, dann ist Ihnen die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger nichts wert, es ist Ihnen eine Volksabstimmung nichts wert, wenn es um existenzielle Interessen geht, wenn es darum geht, die Bevölkerung aufzuklären und einzubinden. Vor EU-Wah­len, die sicher wieder stattfinden werden, beschweren Sie sich darüber, dass es kein Interesse seitens der Bevölkerung an Europa gibt. Das liegt daran, dass Sie kein Interesse haben, die Bevölkerung einzubinden in europäische Fragen, um die es tatsächlich geht und die wichtig sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das war beim EU-Reformvertrag und auch beim Rettungsschirm so. Sie haben den Steuerzahler überhaupt nie eingebunden in die wirklich wichtigsten Fragen, wenn es beispielsweise darum gegangen ist, den EU-Rettungsschirm aufzuspannen, ein Bankenpaket zu schnüren oder Griechenland ein Hilfspaket in Milliardenhöhe zur Verfügung zu stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

 


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