Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll95. Sitzung / Seite 25

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Die Oppositionsparteien – mit völlig unterschiedlichen inhaltlichen Vorstellungen – wol­len selbstverständlich auch einen Volksentscheid. Und das wird heute eine Stern­stunde des Parlaments, wenn fünf Fraktionen und alle Abgeordneten dieses Hauses einmal ihr persönlich gegebenes Versprechen an die Wählerinnen und Wähler halten. (Beifall bei den Grünen. – Bravoruf des Abg. Mag.  Kogler.)

Warum brauchen wir so dringend eine Volksbefragung? – Ich gebe ja ohne Weiteres zu, die Österreichische Volkspartei hat in einem Punkt vollkommen recht: Gäbe es eine seriöse Sicherheits- und Verteidigungspolitik, dann würde zuerst eine neue Sicher­heitsdoktrin entwickelt werden. Dann würde darüber diskutiert werden: Wie soll dazu das Bundesheer reformiert werden? Und am Ende dieser Debatte hätten wir einen politischen Vorschlag: Wehrpflicht – ja oder nein? Darüber könnte dann – nach einer langen, sachlichen und seriösen Debatte – die österreichische Bevölkerung ent­schei­den.

Aber es ist anders gelaufen. Es ist anders gelaufen, weil der Verteidigungsminister in den letzten Jahren noch keine Minute Zeit für eine seriöse Vorbereitung der Erarbei­tung einer Sicherheitsdoktrin gefunden hat.

Es ist anders gekommen, weil die Idee zur Abschaffung der Wehrpflicht nicht vom Verteidigungsminister gekommen ist, sondern, wie Sie alle wissen, ein Wahlkampfgag des Wiener Bürgermeisters im Herbst des vergangenen Jahres war.

Es ist anders gekommen, weil die „Kronen Zeitung“ an und für sich eine gute Idee hat, aber in der Weisungskette – Claus Pándi von der „Kronen Zeitung“; Werner Faymann, Bundeskanzler; Norbert Darabos, Verteidigungsminister – der Verteidigungsminister als letztes und schwächstes Glied dieser Weisungskette natürlich das auszuführen hat, was die Spitze der Weisungskette anschafft; und das ist der zuständige Redakteur der „Kronen Zeitung“.

Es ist ganz klar, wenn der rote Teil einer Bundesregierung zum ausführenden Organ einer großen Zeitung wird, dass man sich dann schlecht vorbereiten kann, denn: Was passiert, wenn die „Kronen Zeitung“ ihre Meinung ändert? – Dann ist schon wieder etwas „in Stein gemeißelt“. Dann muss der Stein entsorgt und schnell etwas Neues gemeißelt werden. Deswegen ähnelt das Kabinett des Verteidigungsministers inzwi­schen weniger dem Kabinett eines Regierungsmitglieds, sondern eher einer Steinmetz­werkstatt, wo dauernd etwas Neues und Widersprüchliches und Gegensätzliches in wehrlose Steine gemeißelt werden muss. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Und deswegen fordere ich Sie auf, Herr Verteidigungsminister: Legen Sie den Meißel einmal weg! Heben Sie einmal nicht ab, wenn die „Kronen Zeitung“ anruft, und geben Sie den Auftrag, seriös an einer Sicherheitsdoktrin zu arbeiten! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Unser Problem ist jetzt ein anderes: Seit der an und für sich sachlich vernünftige Beschluss in der SPÖ gefasst worden ist, mit der Abschaffung der Wehrpflicht zu beginnen, seitdem ist die Bundesregierung blockiert. (Abg. Kickl: Schon vorher!) Es geht nichts mehr! Es geht nichts mehr: wie in der Bildungspolitik, wie in zahlreichen anderen Bereichen der Politik, wo wir dringend Reformen notwendig hätten. Es geht einfach nichts mehr!

Diese Regierungspolitik besteht nur noch aus dem simpelsten politischen Reflex: Der eine macht einen Vorschlag, der andere sagt nein – und beide einigen sich darauf, nachher wieder Frieden zu schließen, um Kräfte für den nächsten Streit zu sammeln.

Genau das passiert beim Thema Schule, genau das passiert bei den Universitäten, und genau das passiert jetzt bei der Sicherheitspolitik. Und wenn der eine nein zur


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