Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 73

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Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Schüssel. – Bitte.

 


11.03.52

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Mi­nister, zunächst einmal an Sie ein herzliches Dankeschön und eine Gratulation an das Team, das zwei Jahre lang eine höchst erfolgreiche Arbeit im UN-Sicherheitsrat geleis­tet hat. Das war absolut in Ordnung und sollte auch hier vom Hohen Haus respektiert werden.

Genauso ein Dankeschön an die sogenannte Dreierlage, wo Generalsekretär Kyrle mit General Ségur-Cabanac und Sektionschef Anderl hervorragend die Rückführung der Österreicher aus Libyen in den letzten Tagen und Wochen organisiert hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Mag. Unterreiner.)

Der UN-Sicherheitsrat hat am Wochenende eine meiner Meinung nach historische Re­solution gefasst, und das, Frau Abgeordnete Glawischnig, in einer eigentlich beachtli­chen Tempolage – also so schnell ging es noch nie. Und dass immerhin drei ständige Sicherheitsratsmitglieder, die selber nicht einmal das Statut des Internationalen Straf­gerichtshofes ratifiziert haben, nämlich China, Amerika und Russland, einstimmig mit allen anderen Waffenembargos, Reisebeschränkungen, Kontensperren und die Ver­antwortlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof beschlossen haben, ist, glaube ich, ein eindrucksvoller Erfolg für die europäische Diplomatie. Immerhin ist der Text von England und Frankreich formuliert worden. Also das war schon eine beachtliche Sa­che, die hier anerkannt werden soll. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich hat auch der eindrucksvolle Auftritt von Ibrahim Dabashi dazu beigetragen, nämlich des libyschen Diplomaten, der abgesprungen ist und der in einem bewegen­den Appell seine Brüder, die Offiziere, aufgefordert hat, die Unterstützung für den ver­brecherischen Führer Gaddafi aufzugeben. Das hat natürlich mitgewirkt.

Damit bewegen sich jetzt in ganz Nordafrika die Dinge in die richtige Richtung: Das mi­litärische Interimsregime hat jetzt Elemente einer neuen ägyptischen Verfassung vor­gelegt. Ein sogenannter Weisenrat, wo immerhin die Muslimbrüder und ein koptischer christlicher Richter drinnen sind (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Aber keine einzige Frau ist drinnen!), hat einige bedeutende Zusätze zur ägyptischen Verfassung vorge­schlagen – vielleicht nicht ausreichend, aber als Interimsschritt sehr sinnvoll. In Tune­sien erfolgte der Rücktritt des Interimspremierministers, der noch dem Ancien Régime angehört hat. Dort sind baldige Wahlen in Aussicht gestellt. In Bahrein wurden poli­tische Gefangene freigelassen. Und ob es reicht, dass der saudi-arabische König jetzt ein Package von 36 Milliarden Dollar vorschlägt, um quasi die Unzufriedenheit aufzu­kaufen, wird erst zu diskutieren sein.

Das geht also in die richtige Richtung, aber wir sollten auch die Fehler, die vor allem Europa begangen hat, aber auch die Amerikaner, nicht unterschätzen.

Das Erste war einmal, die Bewerbung Libyens für den Menschenrechtsrat zu unter­stützen. Man hat damit in Wirklichkeit den Bock zum Gärtner gemacht. Libyen sitzt jetzt im UN-Menschenrechtsrat drinnen, und das ist eigentlich absurd in einer Zeit, wo sich Österreich bewirbt – was wir hoffentlich alle unterstützen. Den Bock als Gärtner dort zu haben, ist absolut sinnlos. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweiter Punkt: Es war falsch, das Waffenembargo gegen Libyen im Jahr 2003 aufzu­geben. Das muss man einmal deutlich hier sagen. Was hat sich nämlich seither geän­dert – und da hat die Klubobfrau der Grünen zu Recht auf die Waffenexporte hinge­wiesen –? Vor ein paar Tagen ist im EU-Amtsblatt erschienen, wer alles in Europa Waffen geliefert hat. Und es ist richtig, es sind ungefähr 350 Millionen € allein im letz­ten Jahr nach Libyen geflossen. Und wenn heute britisches Tränengas, belgische Mu-


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