Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll105. Sitzung / Seite 85

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Präsident Fritz Neugebauer: Der soeben eingebrachte Antrag wird mit behandelt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schwentner, Freundinnen und Freunde betreffend Verbesserung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Gleichbehandlungsaus­schus­ses über den österreichischen Frauengesundheitsbericht 2010/2011 (III-228/1179 d.B.)

Psychische Störungen sind einer der größten Kostenverursacher unseres Gesund­heitswesens. 20 bis 25 Prozent der österreichischen Bevölkerung weisen behand­lungs­bedürftige psychische Störungen auf. 2 bis 5 Prozent davon würden sofort eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen. Viele können sich eine Psychotherapie aber nicht leisten. Der Versorgungsgrad stagniert deshalb bei etwa 0,5 Prozent, bei Kindern sogar nur 0,3 Prozent. Im Vergleich dazu erreicht Deutschland 2,6 Prozent psychotherapeutische Versorgung, die von den Kassen vollfinanziert wird.

Die psychotherapeutische Behandlung ist genauso wie die ärztliche Behandlung eine Pflichtleistung der Krankenkassen, die laut ASVG im Krankheitsfall allen Versicherten auf Kassenkosten zusteht. Die psychotherapeutische Behandlung ist als Sachleistung im Rahmen eines Gesamtvertrages zu erbringen, der zwischen den Trägern der Krankenversicherung und der beruflichen Interessenvertretung der Psychothera­peutIn­nen (ÖBVP) abzuschließen ist. (§ 133 Abs. 2 sowie § 349 Abs.2 ASVG)

Wenn/solange trotz allseitigen Bemühens kein Gesamtvertrag abgeschlossen ist, ist eine ausreichende Versorgung durch Verträge sicherzustellen, die wichtige in einem österreichischen Gesamtvertrag übliche Rechtsgüter (freier und gleicher Zugang zur State-of-the-art-Krankenbehandlung, Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Therapie­wahl­frei­heit, Behandlungsautonomie etc.) garantieren (§ 338 (1) ASVG)

Derzeit ist der Zugang zur kassenfinanzierten Psychotherapie nur sehr selektiv mög­lich. Psychotherapeutische Behandlung ist nach wie vor an die finanzielle Leistungs­fähigkeit, den sozialen Status, die Durchsetzungsfähigkeit und die Eigeninitiative der PatientInnen gebunden. Personen, die besonders gefährdet oder belastet sind, haben immer noch die geringsten Chancen auf den Zugang zum psychotherapeutischen Versorgungssystem!

Die Zuschüsse pro Sitzungseinheit wurden seit 1992 weder erhöht noch wertangepasst und liegen bei 21,80 Euro. Eine Behandlungsstunde kostet durchschnittlich aber etwa 80,- bis 90,- Euro. Vollfinanzierte Kassenplätze sind kontingentiert, wodurch Versor­gungsengpässe entstehen. Kontingente sind z.B. in Wien und in Niederöster­reich oft schon im Frühjahr oder Mitte des Jahres erschöpft. Lange Wartezeiten für kassen­finanzierte Psychotherapie führen zur Chronifizierung von psychischen Störungen und verteuern das Gesundheitssystem.

Empirische Befunde stellen der Psychotherapie ein sehr gutes Zeugnis aus. Im Vergleich zur medikamentösen Alternativbehandlung führt vor allem die bessere Dauerhaftigkeit der Psychotherapiewirkung zu einem günstigeren Kosten-Effektivitäts-Grad. Eine alleinige Psychopharmaka-Behandlung ist einer Psychotherapie oder einer Kombination langfristig deutlich unterlegen, bis zu 80 % erleiden Rückfälle nach Absetzen der Medikation.

Die Krankenkassen gaben im Jahr 2007 rund 43 Millionen Euro für Psychotherapie aus, das sind maximal 0,2 Prozent der öffentlichen Gesundheitsleistungen.

 


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