Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 35

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

lassen Sie vollkommen offen. Ich erwarte mir von einer Ministerin, dass sie entweder hinter der Entscheidung der Beamten steht, das artikuliert – oder sonst konkret han­delt, wenn sie das anders sieht. Zu sagen: Wir werden uns das anschauen!, das ist mir in diesem Zusammenhang zu wenig.

Auch Ihr Kinderschutzpaket reicht nicht. Man kann immer über die Erhöhung von Straf­rahmen reden, aber es setzt halt immer erst an, wenn die Straftat passiert ist. Kinder­schutz muss früher beginnen. Ich sage Ihnen, wo das zentrale Problem ist: Alle Straf­taten im Gesamten gesehen bedeuten, dass es eine Dunkelziffer von rund 90 Prozent gibt, das heißt, nur zehn Prozent der Straftaten kommen überhaupt zur Anzeige. Von diesen zehn Prozent wiederum führen nur ein Viertel zur Verurteilung. Das heißt, wenn wir über die Erhöhung der Strafrahmen reden, dann reden wir über 2,5 Prozent aller Sexualstraftaten! Damit sind Sie vom Kinderschutz sehr, sehr weit weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Ich sage Ihnen, was wir brauchen: Wir müssen schauen, dass wir Straftaten verhindern und rechtzeitig erkennen, wir müssen Lehrer und Eltern schulen auf das Erkennen von diesen, wir müssen Kinder schulen, damit sie wissen, was sie in einer Situation tun können, wenn sie Opfer einer Sexualstraftat werden. Meine Damen und Herren, wenn wir in solche Maßnahmen investieren würden, dann würde das bei einem Bundesland der Größe Niederösterreichs 500 000 € im Jahr kosten. Das wäre gut investiertes Geld und der effizienteste Schlag gegen Gewalt an Kindern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

9.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


9.52.32

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben – ich habe bei Ihren Ausführungen sehr gut zugehört – gesagt, Ihnen sei es wichtig, dass auch die Angemessenheit der Strafen im Strafgesetzbuch entsprechend berücksichtigt werde.

Frau Ministerin, aus dem Wust von unzähligen skandalösen Urteilen, was Kindesmissbrauch anlangt, habe ich nur ein einziges als Beispiel herausgenommen, weil es gar so dramatisch ist, und zwar: Am 7. April 2011 dieses Jahres wurde in Salz­burg ein Mann vor Gericht gestellt, ein 61-Jähriger, der sich innerhalb von neun Jah­ren – sage und schreibe neun Jahren! –, zwischen 2000 und 2009, an drei minderjähri­gen Mädchen, einem fünfjährigen und zwei neunjährigen, mehrfach vergangen hat. Die Staatsanwaltschaft warf ihm schweren sexuellen Missbrauch dieser drei Mädchen vor. Dieser Mann legte ein reumütiges Geständnis ab und hat die Anklage Punkt für Punkt bestätigt. Urteilsspruch, Ergebnis: 20 Monate bedingte Haft – bedingte Haft! – und 1 920 € Geldstrafe.

Frau Ministerin! Ist das die Angemessenheit von Urteilen?! – Ich finde, es ist ein Skan­dal, ein solches Urteil aussprechen zu können! (Beifall bei BZÖ und FPÖ. – Abg. Stra­che: Das verteidigt die Frau Justizministerin! Die stellt sich hinter diese Justiz!)

Frau Ministerin, das ist nur ein Beispiel von unzähligen skandalösen Urteilen. Und da kann man gar nicht den Richtern oder den Schöffen den Vorwurf machen, sondern dem Gesetz, das die Möglichkeit schafft, überhaupt solche Urteile zu fällen! Das ist der Skandal! Und dafür sind Sie zuständig, Frau Ministerin, dass mittlerweile in diesem Land Vermögensdelikte schärfer bestraft werden als sexueller Missbrauch von Kindern. Das ist der eigentliche Skandal!

Ich sage Ihnen, Frau Ministerin: Sie müssen doch endlich aufwachen und ein klares Signal senden, dass Mord an Kinderseelen auch im Strafgesetzbuch gleichgestellt wird


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite