Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll140. Sitzung / Seite 135

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Das kam alles später – schlecht genug –, aber zum Zeitpunkt der Eröffnung der Kampfhandlungen durch Bernaschek und seine Leute waren die Voraussetzungen nicht gegeben.

Es wäre natürlich sehr gut gewesen, wenn wir in diese Vorberatungen ein bisschen eingebunden worden wären, denn wenn wir ein bisschen in der Kausalität zurück­springen, dann kommen wir zwangsläufig zur „Selbstausschaltung des Nationalrates“, die ich aber nicht als solche bezeichnen möchte. Es war ein Rücktritt der drei Prä­sidenten anlässlich der Beratungen am 5. März 1933, auf welche Weise man den Streik der Eisenbahner beenden sollte. Und der Dritte Präsident – nämlich der großdeutsche Dritte Nationalratspräsident – hat am 15. März 1933 seinen Entschluss zum Rücktritt reassümiert und zum Zusammentreten des Parlaments zur Neuberatung aufgerufen. Es kamen 60 sozialdemokratische und großdeutsche Abgeordnete zusam­men. Die Sitzung hat zehn Minuten gedauert, dann hat sie zwangsweise durch 200 Kriminalbeamte, die im Parlament erschienen sind, ihr Ende gefunden.

Also es ist so: Ein Steinchen hat das nächste umgeworfen, das dann wieder das nächste und so weiter. Was mir im Gesamten sehr abgeht: Es sind insgesamt wahr­scheinlich 480 – die Zahlen sind strittig – Angehörige der Exekutive Opfer geworden, 120 davon wurden getötet, der Rest verwundet. Sie sind aufgrund ihrer Dienstpflicht im Kampf gestanden. Es hat ja keinen Kampf zwischen Schutzbund und Heimwehr gegeben, sondern den Kampf Schutzbund gegen Exekutive. Sie hätten es auch verdient, mit einem großen Gedenkstein bedacht zu werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Denn der eingeteilte Polizist, der von einem Heckenschützen vom Karl-Marx-Hof aus erschossen worden ist, hat sich ein anderes Schicksal ausgesucht – auch seine Witwe und seine Kinder. Vielleicht kann man über die fehlenden Teile dieses Reha­bilitie­rungs- oder Versöhnungsvorhabens, zu dem wir dem Parlament heute gratulieren – wir wollen nicht abseits stehen; es geht natürlich um eine Versöhnung über die Gräber hinaus, sie ist aber immer noch Stückwerk geblieben –, noch nachdenken. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Walser. 7 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.13.10

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Fichtenbauer, die Polizisten, die Mitglieder der Exekutive, des Bundesheeres, die im Zuge der Februarkämpfe getötet worden sind, können und müssen nicht rehabilitiert werden. Sie waren nie angeklagt, und daher stellt sich diese Frage nicht.

Auf die historische Dimension dieses heutigen Gesetzes ist von Präsident Neugebauer und vom Kollegen Jarolim hingewiesen worden. Ich darf das nur unterstreichen und dazusagen, dass es in einer Zeit beschlossen wird, in der wir uns mit gutem Recht auf diese Epoche Anfang der dreißiger Jahre rückbesinnen.

Ich erinnere daran, dass das die Zeit war, in der ja nicht nur in Österreich der Faschismus vor der Tür stand, sondern das war ein europäisches Phänomen – ausgelöst durch eine Wirtschaftskrise, ausgelöst durch ein blindwütiges Sparen der Regierungen, nämlich ein Sparen bei den Armen und Ärmsten der Gesellschaft.

Diese Politik hat damals dazu geführt, dass sich Opposition nahezu aufgedrängt hat, dass sich Widerstand aufgedrängt hat, und dass Menschen natürlich empfänglich waren für politische Rattenfängerei. Daher tun wir gut daran, uns heute daran zu


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