Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll150. Sitzung / Seite 50

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11.09.31

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Beschluss der flächendeckenden Einführung der Neuen Mittelschule setzen wir heute tatsächlich einen weiteren Schritt in Richtung von mehr Bildungschancen und mehr Durchlässigkeit in unseren Bildungs­einrichtungen. Es besteht nämlich noch immer ein Zusammenhang zwischen Herkunft und Zukunft in Bildungsfragen. Und nach wie vor ist es so, dass die Herkunft zu sehr die Zukunft der Bildungswege der Kinder bestimmt und beeinflusst.

Diesen Zusammenhang aufzubrechen – und da würde ich Sie, Herr Walser, um den differenzierten Blick bitten –, diese Vorbestimmung und diesen Zusammenhang aufzu­brechen, darum geht es heute bei diesem Beschluss, wenn wir die Hauptschulen flächen­deckend in Mittelschulen umwandeln und so einen nächsten Meilenstein setzen.

Ich kann mich noch erinnern, ganz zu Beginn wollte unser Koalitionspartner die Neue Mittelschule unbedingt auf 10 Prozent beschränken, und kurz danach haben wir festgestellt, es gibt viel mehr Bedarf, weil diese neue Schule so erfolgreich ist. Es ist das damals auch ein Schritt gewesen, und wir setzen heute wieder einen Schritt. (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich ist unbestritten, dass unser Ziel die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen ist und auch unser Ziel bleibt. Dazu ist unser Koalitionspartner noch nicht bereit, aber der Herr Kollege Amon hat ja schon gesagt, wir sind in der Bildungspolitik noch nicht am Endpunkt, sondern es geht ja immer weiter. Insofern hoffe ich sehr, dass auch in Zukunft die ÖVP auf die Dauer die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen wird können, weil wir wissen, dass die zu frühe Trennung der Kinder, eine zu frühe Bildungsselektion falsch ist.

Alle internationalen Ergebnisse beweisen, dass die frühe Trennung der Kinder in Sachen Bildung Ungleichheiten produziert und Entwicklungschancen ver- und behin­dert. Was in den Kindern steckt, kann man mit neun Jahren noch nicht endgültig beantworten. Diese Trennung in Hauptschule und Gymnasium ist bei uns zu früh angesetzt, und wir verlieren auf diesem Weg enorm viel Potential.

Ich kann mich selbst noch erinnern, als mein Sohn neun Jahre war, ist es um die Frage gegangen, ob er in die Schule gehen kann, die er will. Die Voraussetzung für einen Eintritt in diese Schule war damals, er muss lauter Einser in der dritten und in der vierten Volksschule haben. Dann hätte er eine Garantie gehabt, in die Schule zu kommen, in die er gehen wollte. Alle, die Eltern sind, können sich vorstellen, welch enormer Druck da auf den Kindern lastet. Ein Zweier – ganz egal, in welchem Fach – wäre sozusagen schon eine Hürde gewesen. Die Versagensängste, die da in einem Neunjährigen schon hervorgerufen werden, und der Leistungsdruck, der da produziert wird, das ist furchtbar.

Interessant sind auch – vielleicht auch für meinen lieben Kollegen Amon – die Ergeb­nisse einer deutschen Studie, wonach in Hamburg nachgewiesen wurde, dass ein Drittel jener Schüler, die eine Empfehlung für ein Gymnasium hatten, unterdurch­schnittliche Lesekompetenz hatte, wohingegen ein Drittel jener Schüler, die eine Hauptschul-Empfehlung hatten, überdurchschnittliche Lesekompetenz hatte.

Eine PISA-Studie hat auch nachgewiesen, dass die besten 20 Prozent der dritten Leistungsgruppe einer Hauptschule in ihren Leistungen genauso gut sind wie die schlechtesten 20 Prozent einer AHS. Der entscheidende Punkt ist aber: Die einen sitzen in der AHS, und die anderen sitzen in der Hauptschule, und die Wege differenzieren sie aus. Da kommen wir zu dem Bereich der sozialen Ungleichheit und


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