Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll155. Sitzung, 15. Mai 2012 / Seite 64

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der Bürgerbeteiligung sowohl im Gesetzwerdungsverfahren als auch im Bereich von Volksbegehren endlich zu einer positiveren Zukunft führen kann. (Beifall beim BZÖ.)

10.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


10.21.16

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler: „Chaos“, „Hass“ und „Beleidigung“! Die FPÖ fordert heute mehr direkte Demokratie, mehr Einbindung des Volkes. Und was sagen Sie darauf? – „Chaos“, „Hass“ und „Beleidigung“. (Abg. Strache: Und „Hetze“! Direkte Demokratie ist „Hetze“ beim Herrn Kanzler! Das ist schon bedenklich!)

Ist das Ihr Demokratieverständnis? – Wenn die FPÖ will – auch wir wollen das, auch viele andere Abgeordnete wollen das –, dass das Volk eingebunden wird, dann haben Sie nur drei Worte dafür: „Chaos“, „Hass“ und „Beleidigung“. Da frage ich mich wirklich: Ist das Ihr Demokratieverständnis?! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir nach Griechenland schauen, dann sehen wir genau, wo wir hinkommen, wenn wir das Volk nicht einbinden. Sie können sich sicherlich noch gut daran erinnern, dass der ehemalige Staatschef Papandreou die Bevölkerung befragen wollte, bevor das alles mit dem Rettungsschirm, mit der Eurorettung und so weiter losgebrochen ist. Er wollte damals die Bevölkerung fragen, ob sie überhaupt gerettet werden will. Hätte man damals die Bevölkerung gefragt, dann hätten wir uns den ganzen Affentanz erspart, denn mittlerweile wissen wir, dass die Bevölkerung in Griechenland gar nicht gerettet werden will. Deshalb ist es wichtig, auch in Österreich die Bevölkerung zu fragen, was sie will.

Wenn Sie jetzt behaupten, das sei nicht notwendig, da Sie ja legitimiert sind – ja, Sie sind in dieser Demokratie für fünf Jahre gewählt, das Volk hat 2008 abgestimmt und Ihnen und der ÖVP das Vertrauen ausgesprochen –, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist nicht ganz richtig! Das hat in der Vergangenheit vielleicht gestimmt, aber wir leben jetzt in einer Zeit, wo sich die Dinge rapide ändern. Jeden Tag kommen neue Entwicklungen. 2008 hat es noch keine Finanzkrise gegeben, keine Wirtschaftskrise, keine Bankenkrise, keine Eurokrise, keine Schuldenkrise, keine Griechenlandpleite. All diese Dinge hat es 2008 noch nicht gegeben. Das heißt, das Volk hat seit 2008 nie wieder seine Meinung sagen können, das Volk hat seit 2008 nie wieder über irgendwelche Themen abstimmen können.

Jetzt ist es höchst an der Zeit, das Volk einmal zu fragen, was es von Ihren Ideen überhaupt hält. Sie haben ja seit 2008 unzählige Entscheidungen getroffen – alle über den Kopf der Bevölkerung hinweg. Und jetzt fürchten Sie sich – und das ist genau der Hintergrund. Wenn Sie heute hier sagen, direkte Demokratie, Einbindung des Volkes sei „Chaos“, „Hass“ und „Beleidigung“, dann heißt das nichts anderes, als dass Sie Angst vor den Ergebnissen haben. Sie fürchten sich davor, dass es, wenn das Volk befragt wird, nicht so ausgeht, wie Sie es gerne hätten. – Das ist ja das Problem.

Aber wenn es um Ihre Interessen geht, wie zum Beispiel um das Bildungsvolks­begehren, dann wollen Sie das Volk einbinden, da führen Sie einen Zinnober auf, dann schieben Sie einen Herrn Androsch vor, machen ein Volksbegehren und tun so, als wären Sie für die direkte Demokratie. Dann, wenn es in Ihrem Interesse ist, versuchen Sie, das Volk einzubinden. Sie machen es auch deshalb, um auf die ÖVP ein bisschen Druck auszuüben. Aber wenn es um Themen geht, die Ihnen nicht passen, wo es unter Umständen nicht so ausgeht, wie Sie es wollen, wollen Sie von direkter Demokratie nichts wissen.

 


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