Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll161. Sitzung / Seite 23

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entspricht, und wenn Gewalt im Spiel ist, bin ich der Meinung, dass die alleinige Obsorge des anderen Elternteils in der Regel dem Kindeswohl weit besser ent­sprechen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Musiol, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Frau Ministerin! Sie haben gerade das Kindeswohl angesprochen, den Schutz der Kinder. Das muss wohl im Fokus liegen, wenn wir uns über gemeinsame Obsorge unterhalten. Eine wichtige Voraussetzung für die gemeinsame Obsorge ist aber, dass eine gemeinsame Entscheidung der Eltern getroffen wird.

Wir sind davon überzeugt – und das sagen auch alle ExpertInnen –, dass Gemein­samkeit nicht verordnet werden kann, auch nicht von einem Gericht. Eltern müssen sich darauf verständigen, dass sie gemeinsam für das Kind da sein wollen; entweder sie schaffen das alleine oder sie brauchen – so wie wir das vorgeschlagen haben – Unterstützung, zum Beispiel durch eine Schlichtungsstelle, wo ihnen Vertreter ver­schiedener Professionen – SozialarbeiterInnen, MediatorInnen, PsychologInnen – helfen können.

Können Sie ausschließen, dass eine neue Obsorgeregelung derart gestaltet sein wird, dass Kinder in die Situation kommen, dass ihre Eltern gemeinsame Obsorge erhalten, obwohl nicht einmal die geringste Gesprächs- und Einigungsbasis zwischen diesen Eltern besteht?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Wenn Sie sagen, dass immer eine gemeinsame Entscheidung der Eltern für die gemeinsame Obsorge vorliegen muss, dann widerspricht das dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Men­schenrechte.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat klar gesagt, dass es auch gegen den Willen eines Elternteils die Möglichkeit geben muss, die gemeinsame Obsorge zu erlangen. Wir müssen dieses Urteil natürlich berücksichtigen, und ich nehme als Justiz­ministerin den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klarerweise sehr ernst. Entscheidend muss aber natürlich immer das Kindeswohl sein, und es kann sehr wohl auch in jenen Fällen, in denen anfangs keine Einigkeit über die gemeinsame Obsorge erzielt werden kann, die gemeinsame Obsorge dem Kindeswohl trotzdem am besten entsprechen.

Sie haben auch auf Schlichtungsstellen hingewiesen. Ich möchte – das habe ich ja erwähnt – im Verfahren selbst auch Änderungen vornehmen. Es soll möglich sein, dass die FamilienrichterInnen verpflichtende Maßnahmen anordnen, wie zum Beispiel den verpflichtenden Besuch einer Elternberatung, einer Familienberatung oder den verpflichtenden Besuch eines Erstgespräches betreffend Mediation oder Schlichtungs­verfahren.

Durch diese Instrumente wird es meiner Meinung nach leichter sein, die Eltern dazu zu bewegen, sich doch mehr auf das Kind zu konzentrieren, die eigenen Befindlichkeiten, die eigenen Verletzungen in den Hintergrund zu stellen und vielleicht wirklich mehr darüber nachzudenken, was sie am besten für das Kind tun können. Deshalb glaube ich schon, dass es gelingen kann, die gemeinsame Obsorge auch in jenen Fällen, in denen anfangs keine Einigkeit über die gemeinsame Obsorge herrscht, trotzdem noch zielführend und richtig anzuordnen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


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