Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll161. Sitzung / Seite 28

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Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Da gilt es meines Erachtens zwei Phasen zu unterscheiden. Das eine ist einmal die Begründung der Obsorge: Wer be­kommt die Obsorge? Bekommt sie die Mutter, bekommt sie der Vater oder bekommen sie beide gemeinsam? Da ist es im Moment nach österreichischer Rechtslage so, dass gegen den Willen eines Elternteils eine gemeinsame Obsorge nicht möglich ist. Diesbezüglich sind wir auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. Wir müssen auch dem nicht obsorgeberechtigten Elternteil eine Antragsmöglichkeit auf gemeinsame Obsorge einräumen. Das ist ein Teil meines Entwurfes.

Aber es geht natürlich auch um folgende Frage: Was geschieht, wenn die gemeinsame Obsorge besteht, aber ein Elternteil einseitig die gemeinsame Obsorge aufkündigt? Auch in diesem Fall wird es künftig so sein, dass in jedem Einzelfall einer solchen Aufkündigung auch die Familienrichterin/der Familienrichter entscheiden muss: Ent­spricht das wirklich am besten dem Kindeswohl? Es erfolgt also auch da wieder eine Einzelfallentscheidung durch die Richterin, durch den Richter, immer ausgerichtet auf den Maßstab des Kindeswohls.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haubner, bitte.

 


Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Frau Bundesministerin! Ihre Antworten zeigen jetzt, dass vom Arbeitskreis im Jahr 2010 bis heute in den Arbeitskreisen zwar einiges geschehen ist, aber die politische Einigung noch nicht da ist. Und was mir auffällt: Sie sind absolut umgeschwenkt auf die Linie Ihres Koalitionspartners, der vehement die gemeinsame Obsorge als Regelfall bekämpft. Ich möchte nicht von Automatismus reden, sondern von der gemeinsamen Obsorge als Regelfall. Und die Frau Frauen­ministerin hat ja gesagt, sie freut sich, dass in die Sache endlich Bewegung kommt.

Meine Frage: Worin besteht der Unterschied des Modells der gemeinsamen Obsorge, das Sie jetzt machen wollen, zu dem, wie wir es derzeit haben? Derzeit ist es ja auch eine Kann-Bestimmung und nicht eine Verpflichtung. (Abg. Ing. Hofer: ÖVP auf SPÖ-Linie! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Ich möchte einmal klarstellen: Ich bekämpfe nicht die gemeinsame Obsorge. Ganz im Gegenteil: Mir geht es darum, in viel mehr Fällen als bisher die gemeinsame Obsorge erst möglich zu machen. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) – Ja, aber dann müssen Sie einmal verstehen, wie die heutige Rechtslage ist. Die heutige Rechtslage ist nämlich so, dass nach der Scheidung einmal beide Elternteile die gemeinsame Obsorge weiter behalten. Wenn sie sich aber nicht einigen können, wie das mit der Obsorge weiter gehandhabt werden soll (Abg. Ing. Hofer: Das wissen wir alles!), dann hat die FamilienrichterIn eben nur die Möglichkeit, zu sagen: Entweder Vater oder Mutter hat die alleinige Obsorge. (Abg. Ing. Hofer: Das wissen wir!)

Es besteht nicht die Möglichkeit, eine gemeinsame Obsorge festzulegen. Und das soll, immer gemessen am Kindeswohl, ermöglicht werden. Und ich bin da wirklich zuver­sichtlich, dass es durch diese neue Lösung in vielen Fällen zur gemeinsamen Obsorge kommen wird (Abg. Ing. Hofer: Sie sind voll auf SPÖ-Linie!), weil eben in vielen Fällen die gemeinsame Obsorge tatsächlich das Beste für das Kind ist. Und da treffen wir einander wieder, da sehe ich also kein Problem. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haubner: Das ist aber keine Änderung der bisherigen ! – Bundesministerin Dr. Karl: O ja!)

 


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