Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll161. Sitzung / Seite 209

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dem Erhalt der Währungsunion, sondern der Auslösung der Geldgeber der hochver­schuldeten Euro-Staaten, den Interessen der Finanzwirtschaft.

Genau darum geht es: Sie wollen im Grunde genommen nur die Finanzwirtschaft retten! (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

17.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. – Bitte.

 


17.55.10

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Barten­stein! Meine Wertschätzung Ihnen gegenüber ist ungebrochen, aber Sie konnten mein Verfassungsargument nicht widerlegen. Sie sind mit keinem Wort darauf eingegangen.

Das ist auch nicht debattierbar. Solange hier nicht durch eine gesamtändernde Volksabstimmung – gesamt ändernd die österreichische Staatsverfassung – das Prinzip der Gewaltenteilung beseitigt wird, ist eine Art Autoritätsausübung oder eine Anordnungsbefugnis eines Ministers an das österreichische Parlament ein schwerer Verfassungsverstoß. Das kann nicht anders dargestellt werden – außer, man beschließt, zwei mal drei ist morgen 17 oder irgendetwas. Mit dem ESM würde das offenkundig so hinkommen – ein bisschen flapsig gesagt.

Außerdem wäre es gut, wenn die ÖVP inhaltlich eine Entschließung fassen würde, wie sie es denn mit Deutschland als Vorbild hält. In der Früh war eine nicht sehr tolle Ausstattung bezüglich „Brain and Talk“ bei der Frau Justizministerin gegeben, als ich sie darauf hinwies, dass das deutsche Vorbild der gemeinsamen Obsorge als gesetzlicher Regelzustand doch sinnvoll wäre. Das war übrigens auch bei einer parlamentarischen Enquete die einhellige Erkenntnis. Sie sagte darauf: Man darf nicht alles aus Deutschland nachmachen. – Abgesehen davon, dass ihre Argumente in Summe mehr als überflüssig waren.

Aber heute hören wir auch, dass gegen mein Verfassungsargument eine geistige Anleihe in der Bundesrepublik Deutschland geschöpft wurde – sei es vom Bundes­verfassungsgerichtshof, von dem ich das nicht gehört habe; oder ist das ein Gutachten, ist das eine Professorenmeinung? –: Daher kann man auch in Österreich diesen Verfassungsverstoß begehen. – Das stimmt natürlich nicht!

Ich möchte aber die Aufmerksamkeit noch darauf lenken, wie an den europäischen Völkern vorbei diese Sache strukturiert wird. Am 16. Dezember 2010 hat der Europ­äische Rat – auf Englisch – „agreed a two line amendment (see below) to the treaty that would avoid any referendums“. Es kam also bei dieser Beschlussfassung darauf an, jede Art eines Referendums in den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Das ist die wahrscheinliche Erklärung, dass – entgegen der Zusage des österreichischen Bundeskanzlers – der im März 2011 vorgenommene, klammheimliche Änderungsvor­gang des Vertrages von Lissabon ohne Volksabstimmung vorgenommen worden ist: weil im Rat die diesbezügliche Absicht, es so zu halten, schon beschlossen worden war!

Außerdem soll klar darauf hingewiesen werden, dass der Gouverneursrat, bestehend aus der Versammlung der Euro-Finanzminister, nach dem By-law, also Nebenrecht oder Zusatzrecht, künftig die Finanzmittel des ESM unbeschränkt erhöhen kann! Das ist nämlich die weitere giftige Sache in der Geschichte.

Also: Unkontrolliert, durch eine Änderung des Vertrages von Lissabon, unkontrolliert durch Parlamente, geschweige durch das Europäische Parlament, und auch nicht beschränkbar durch die nationalen Parlamente ist beschlossen, dass der ESM-Gou­verneursrat, mit einstimmiger Beschlussfassung zwar, den Plafond für ESM-Anleihen


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