Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll164. Sitzung / Seite 106

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Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Dr. Wittmann. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.30.17

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Einige Antworten zur Rede von Herrn Kollegen Strache: Es kann nicht sein, dass man sich zwar in der Analyse ei­nig ist, nämlich dass Europa in einer Krise ist, aber gleichzeitig dazusagt: Alle Maßnah­men, um aus dieser Krise herauszukommen oder sie zu beherrschen, verweigere ich. Ich biete keine Alternative an. Ich biete den Zerfall Europas an. Ich biete apokalypti­sche Vorgangsweisen, apokalyptische Szenarien an, aber ich biete keine Lösung an.

Es mag schon sein, dass der ESM nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Niemand in Europa hat behauptet, dass der ESM das alles lösende Allheilmittel ist, aber es ist die einzige Möglichkeit, auf die derzeitige Krise zu reagieren, und wenn man auf diese Kri­se nicht reagiert, dann nimmt man fahrlässig den Zerfall Europas in Kauf, was auch be­deuten würde, dass man die Hilfe für Spanien, Italien, Griechenland, Irland nicht leisten könnte. Und der Bankrott dieser Länder bleibt doch nicht in diesen Ländern – Wer nimmt das an? Wer kann das ernsthaft behaupten? –, sondern er würde sich natürlich über die Abhängigkeiten der Finanzmärkte sofort auch weiter in die Länder ausbreiten, die von dieser Krise nicht betroffen sind. (Abg. Kickl: Das erledigt ihr jetzt lieber selbst!)

Daher ist es mir lieber, wir haben ein Instrumentarium, um diese Krise zu bekämpfen, als wir haben kein Instrumentarium, um diese Krise zu bekämpfen. Und das muss man sich einmal ins Stammbuch schreiben lassen: Wenn ich gegen jede Maßnahme zur Bekämpfung der Krise bin, lasse ich sie unbekämpft und ungehindert wirken. Und dass das nicht gescheiter sein kann, als etwas gegen ein Problem zu machen, das muss je­dem einleuchten. Es nützt nichts, zu behaupten, das regelt sich von selbst. Es regelt sich nicht von selbst, und Sie bieten keine Alternativen. Sie wollen nur Angst erzeugen. Nennen Sie mir eine Alternative, die besser wäre! (Abg. Bucher: Parallelwährung!) Eu­ropa zerfallen zu lassen? Griechenland unbegleitet in Konkurs gehen zu lassen? Spa­nien in Konkurs gehen zu lassen, Italien? Sie werden doch nicht selbst allen Ernstes glauben, dass das dann keine Wirkung hätte, keine Auswirkung hier in Österreich. Wir haben so viele Handelsbeziehungen, so viele Finanzbeziehungen zu diesen Ländern, dass es unmöglich wäre, hier unbeschadet herauszukommen. (Abg. Mag. Stefan: Sterbebegleitung ESM! ESM als Masseverwaltung!)

Die Behauptung, dass die Inflation in Dänemark und Schweden geringer wäre als in Österreich, ist an den Haaren herbeigezogen. Die durchschnittliche Inflation von 2005 bis 2010 war in Dänemark 2,1 Prozent, in Schweden 2,1 Prozent und in Österreich 1,8 Prozent. Also diese Behauptungen sind schlichtweg falsch, die hier aufgestellt wer­den. Sie werden auch nicht besser, wenn sie öfter wiederholt werden. Sie werden ganz einfach falsch bleiben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zur verfassungsrechtlichen Betrachtung des ESM: Nicht einmal einer der 20 Exper­ten hier hat behauptet, dass der ESM verfassungswidrig wäre. Es hat nur eine einzige Behauptung gegeben, dass der Fiskalpakt verfassungswidrig wäre. Also bleiben wir doch bei den Tatsachen, was hier gesagt worden ist. Man muss ja nicht alles verdre­hen. Man muss sich auch die Mühe machen, diese Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit auf­bringen, nur zu behaupten, was hier auch gesagt wurde. Es hat nur einer behauptet.

Diese Charakterisierung des Fiskalpakts als verfassungswidrig halte ich für eine Exo­ten-Meinung. 20 andere Verfassungsjuristen, namhafte Verfassungsjuristen, schlie­ßen sich dem nicht an, sondern genau dem Gegenteil. Wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, weiß man, dass das eine Einzelmeinung ist, die sehr, sehr weit her-


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