Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 83

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13.32.16

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn wir fünf Jahre zurückblicken und uns anschauen, was damals die größte Finanzkatastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat, dann waren das bei der Lehman-Pleite – und das wissen ja gar nicht alle – eben genau diese Derivate, über die wir heute sprechen.

Es waren jene, manchmal abstrusen Finanzinstrumente, die sozusagen over the coun­ter – OTC –, also ohne Kontrolle, von Bank zu Bank gehandelt wurden. Und da war Lehman eine von vielen, auch wie die AIG – die dann von der amerikanischen Regie­rung gerettet werden musste –, eine jener Banken, die sich gegenseitig versichert ha­ben.

Das muss man sich so vorstellen: Mit Basel I und Basel II hat es eine Verpflichtung ge­geben, dass die Banken je nach ihrem Risiko auch Eigenkapital halten. Jetzt wissen wir, dass es keine Bank gerne hat, viel Eigenkapital zu halten.

Jetzt haben die Banken eine gute Möglichkeit gefunden, um das zu umgehen. Diese Möglichkeit waren diese Derivate. Die sind einfach hergegangen und haben sich ge­genseitig gegen Ausfälle versichert.

Jetzt weiß jeder, dass es überhaupt keinen Sinn macht, wenn man sich gegenseitig versichert, denn das Risiko bleibt bestehen. Das Risiko bleibt zu 100 Prozent, egal, ob man sich gegenseitig versichert.

Aber genau das hat man gemacht. Und wenn man sich anschaut, wie die Entwicklung von diesen OTC-Derivaten, war, so sieht man, dass sich die in den letzten 20 Jahren verhundertzwanzigfacht haben.

Das heißt, die Banken haben sich gegenseitig ihr Risiko „versichert“ – unter Anfüh­rungszeichen – und haben somit diese Eigenkapitalvorschriften von Basel I und Ba­sel II umgangen.

Und was hat der Gesetzgeber gemacht? – Er hat dabei zugesehen.

Und dann ist die Lehman-Pleite passiert und dieses System ist aufgebrochen. Damals hat nicht nur der Herr Nowotny, sondern alle Experten haben gesagt: Diese Derivate sind eine finanztechnische Massenvernichtungswaffe. Auch Warren Buffett, einer der größten Investoren, hat das damals gesagt – eine finanztechnische Massenvernich­tungswaffe.

Heute, fünf Jahre später, stehen wir hier und beschließen etwas, das diese Finanz­märkte, das diese Derivate regulieren soll.

Das klingt einmal gut. Ich glaube auch, dass es ein erster Schritt ist. Aber wenn man es genau betrachtet, ist es genau das, was wir immer wieder erleben. Es wird diskutiert, es wird verhandelt, und letztlich wird alles verwässert.

Viele von Ihnen haben heute etwas nicht angesprochen, das ganz wichtig ist. Haben Sie gewusst, dass diese Regeln erst ab 1 Milliarde greifen? Das heißt, unter 1 Milliarde greifen diese Regeln gar nicht. Wir wissen, dass die meisten OTC-gehandelten Deriva­te unter 1 Milliarde ausgestellt sind. Das heißt, dort greift das wieder nicht.

Des Weiteren wissen wir, dass im Moment kein Mensch einen Überblick über diese Derivate hat. Das heißt, auch wenn wir in Zukunft hier mehr Transparenz schaffen, ist die Frage: Was ist mit jenen Derivaten, die noch nicht erfasst sind? – Und das sind an­geblich 700 Billionen $. Das ist mehr als in zehn Jahren auf der ganzen Welt erwirt­schaftet wird.

Das muss man sich einmal vorstellen: Mehr als in zehn Jahren erwirtschaftet wird, gibt es hier Finanzderivate! Und dann höre ich von der SPÖ nur positive Worte für diese Regelung.

 


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