Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung / Seite 114

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dies in anderen europäischen Ländern, die auch schon Mitglieder in der Europäischen Union sind, noch nicht gegriffen. So sind etwa jene diskriminierenden Beneš-Dekrete, die sich auf Enteignung und Vertreibung einzelner Volksgruppen beziehen, nie formal aufgehoben worden und damit weiterhin Bestandteil der tschechischen Rechtsord­nung. Gleiches gilt für die AVNOJ-Beschlüsse in den Nachfolgestaaten des ehemali­gen Jugoslawien, welche gleichfalls zur Enteignung und Vertreibung von nationalen Minderheiten geführt haben und bis heute in der Rechtsordnung nachwirken.

Im Dreithaler-Prozess - ein Tscheche deutscher Nationalität fordert die Rückgabe sei­nes aufgrund der Benes-Dekrete enteigneten Elternhauses und stellt die Dekrete als solche in Frage - hatte das tschechische Verfassungsgericht 1995 festgestellt, die Be­neš-Dekrete widersprächen keinen grundlegenden Rechtsgrundsätzen der zivilisierten europäischen Gesellschaft. Das Benes-Dekret 1 08, das die Enteignung der Sudeten­deutschen begründete, habe, so Tschechiens Oberste Richter, „die Wiederherstellung grundlegender demokratischer und rechtlicher Prinzipien zum Ziel gehabt.“

Der Umgang der genannten Staaten mit der Verantwortung für Ereignisse in ihrer Ge­schichte widerspricht den von der Europäischen Union als großes Friedensprojekt Europas postulierten Grundwerten. Eine Korrektur ist in Anbetracht der langen Dauer dieses Unrechtszustandes dringend erforderlich. Die österreichische Bundesregierung hat als heutige Vertreterin eines großen Teils der damals Betroffenen endlich Verant­wortung zu übernehmen und geeignete Schritte zu unternehmen.

 Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf bilateraler Ebene mit den Nachfolge­staaten der ehemaligen Republik Jugoslawien und der ehemaligen Tschechoslowakei und auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass jene, die in der Folge des 2. Welt­krieges Unrecht durch Enteignung und Vertreibung erfahren haben, durch Entschädi­gung und Restitution zu ihrem Recht kommen. Dies ist durch das Verlangen der Auf­hebung der menschenrechtswidrigen und den Kopenhagener Kriterien entgegenste­henden jeweiligen Gesetzen in den Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei und der Republik Jugoslawien umzusetzen.“

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Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hammer. 3 Minuten. – Bitte.

 


14.20.03

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Als Vertriebenensprecher der ÖVP bin ich froh darüber, dass wir bei der heutigen Debatte wieder die Gelegenheit haben, uns mit der Frage der Beneš-De­krete und deren Beseitigung in Tschechien und der Slowakei zu befassen. Das gibt uns nämlich auch die Möglichkeit, darzustellen, dass die österreichische Außenpolitik, federführend repräsentiert durch unseren Außenminister Vizekanzler Spindelegger und auch Staatssekretär Lopatka, in den bilateralen Beziehungen mit Tschechien und der Slowakei stets bemüht ist, diesbezüglich Lösungen zu erwirken. Dieses Thema wird bei allen Punkten auf der außenpolitischen Agenda immer wieder thematisiert und auch artikuliert.

Es ist zwar nach außen nicht immer sichtbar, was da an Gesprächen geführt und an In­halten weitergebracht wird – das ist in der Diplomatie eben so –, umso mehr freut es


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