Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll209. Sitzung / Seite 51

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schließlich zum Konstitutionalismus im Rahmen der Monarchie geführt hat, aber auch zur Schaffung der Grundrechte 1867, dies freilich auch verbunden mit dem damaligen Ausgleich mit dem Königreich Ungarn.

Es ist also keineswegs so, dass die Geschichte, die uns vorgegeben war, eine fried­liche gewesen ist. Es sind abscheuliche Weltkriege mit abscheulichen Verletzungen von Menschen einhergegangen. Die Geschichte des Aufbaues nach 1945 ist in wechselnder Gestaltung der Beteiligung verschiedener in Entstehung begriffener politischer Sektoren eine, die einerseits Sorge und andererseits Hoffnung in sich birgt.

Es ist natürlich eine Frage des Alltags, aber auch der Vorstellung, welche politische Gestaltung das Land einnehmen soll, die in einer extrem, früher kaum denkbaren rapiden Weise die Bewältigungsnotwendigkeit der jetzigen und der kommenden politi­schen Generation herausfordert. Wir haben alle gehofft, dass bei der Beseitigung des Eisernen Vorhanges, des Entfalls der einander gegenüberstehenden kriegsbereiten Atommächte ein unglaublicher Friedensprozess einkehren wird. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass diese Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen ist, sondern dass vorher undenkbare, ganz neue Verwerfungen die soziale Sicherheit, die menschliche Sicherheit, die Staatssicherheit et cetera bedrohen.

Ich bitte alle, zu bedenken, dass Europa, das europäische Staatengebilde, wie es auch in den Vertragsabschlüssen durchaus zum Ausdruck gekommen ist, eine Wertege­mein­schaft ist, die im Prinzip drei Säulen besitzt. Es handelt sich dabei um die griechi­sche Philosophie, um die römische Staatskunst, namentlich das Römische Recht, und das Vorhandensein des Christentums, dessen kulturhistorischen Effekt ich in einem Satz konzentrieren möchte. Nämlich: Das Christentum hat es bewirkt, dass Sklaverei nicht mehr stattfindet.

Es war auch das kein selbstverständlicher, sondern ein langwieriger Prozess, der eigentlich auch erst im 19. Jahrhundert in Europa zu seinem Abschluss gekommen ist. Der Mensch darf und soll nicht Sache sein! Es gibt eine laufende Bemühung – und die Kompetenzen der Volksanwaltschaft beschreiben das ja auch –, es hat damit nicht der Faden der Verantwortung von einem Menschen für den anderen sein Ende, dass der Mensch keine Sache mehr ist, sondern er dehnt sich aus auf die Notwendigkeit von Grund- und Freiheitsrechten, die in täglicher Form zur Prüfung stehen, und zwar sowohl in der Gesetzesschaffung als auch in der Gesetzesanwendung.

Abschließend darf ich auf das Römische Recht zu sprechen kommen. Es gab einen führenden Juristen der klassischen juristischen römischen Blüte namens Ulpian. Einen Satz von ihm möchte ich zitieren, er steht in den Digesten. Das ist die Aufzeichnung des Römischen Rechts unter Kaiser Justinian 526 n.Chr., Gott sei Dank erhalten! (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser.) Codex Justinianus. Danke schön! Ich bin sehr froh, dass Sie das verinnerlicht haben.

Ulpian sagt auf die Frage, was „ius est“ ist?: Honeste vivere, suum cuique tribuere et neminem laedere. – Auf Deutsch: Ehrenhaftes Leben, jedem das Seine zuteilen und niemanden verletzen.

Die ersten beiden Punkte sind ein permanenter Anspruch, den man an sich selber stellen muss, mit der Erwartung, dass man in diesem Punkt wahrscheinlich niemals vollkommen sein wird.

Niemanden zu verletzen – das ist mein Appell an Sie alle! – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

11.05


Präsident Fritz Neugebauer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, lieber Peter! Ich danke dir sehr herzlich für deine Worte, die du wahrscheinlich nicht mehr von diesem


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