Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll213. Sitzung / Seite 30

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9.20.27

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Klubobmann Bucher hat angesprochen, dass es heute eine große Zahl an Patchworkfamilien gibt. – Sie haben völlig recht: Die familiären Strukturen haben sich verändert. Das ist ein Faktum, ob uns das gefällt oder nicht, ob wir das wollen oder nicht: Es ist die Realität. An diese Realität müssen sich natürlich auch die familienrechtlichen Regelungen anpassen, und das haben wir auch mit dem Familienrechtspaket getan.

Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie im Dezember des Vorjahres hier im Nationalrat das Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 beschlossen haben. Sie haben sich damit ganz bewusst der Thematik angenommen, dass es das Beste für das Kind ist, wenn Mutter und Vater für das Kind da sind. Auf das heutige Thema bezogen bedeutet das auch, dass die Vater-Kind-Beziehung, wie natürlich auch die Mutter-Kind-Beziehung, eben nicht bloß auf die Leistung des Unterhalts zu reduzieren ist.

In diesem Sinne sieht das Gesetz seit 1. Februar 2013 daher auch ausdrücklich vor, dass für das Kindeswohl verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtigen Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen von ganz zentraler Bedeutung sind. Dem Umstand, dass Väter und auch Mütter bloß Geldmaschinen wären, die auf Abruf für ihre Kinder zahlen müssen, ohne irgend­welche Rechte zu haben, hat der österreichische Gesetzgeber daher ganz deutlich eine Absage erteilt.

Herr Klubobmann Bucher hat auch angesprochen, dass das Kindeswohl in das Zen­trum der gerichtlichen Entscheidung gerückt werden muss. – Da gebe ich Ihnen völlig recht. Und auch das haben wir mit dem bereits angesprochenen Familienrechtspaket umgesetzt. Wir haben erstmals das Kindeswohl ausführlich gesetzlich definiert. Damit ist das Kindeswohl der Maßstab für alle Entscheidungen beim Familiengericht – gleichgültig, ob es etwa um das Kontaktrecht geht, ob es um die Obsorge geht, et cetera.

Aber lassen Sie mich zu diesem so wichtigen Thema ein bisschen weiter ausholen. Das österreichische Familienrecht unterscheidet im Bereich der Obsorge, des Kontakt­rechts und des Unterhaltes nicht zwischen Vätern und Müttern; beide sind gleich zu behandeln. Es ist daher nicht so, dass Mütter automatisch mehr Rechte und Väter automatisch mehr Pflichten im Hinblick auf die Kinder haben. – Nein, dazu ist unsere Rechtslage wirklich ganz eindeutig: Die Rechte und Pflichten der Eltern sind für Väter und Mütter gleich!

Das gilt auch für das Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern. Ein Kind hat ein Recht auf Vater und Mutter gleichermaßen. Natürlich weiß ich auch, dass das klassische Rollen­bild – die Mutter kümmert sich um die Kinder, der Vater arbeitet – vielfach, wenn auch nicht immer, gelebt wird. Das spiegelt sich dann auch in der Verteilung der rechtlichen Rollen bei oder nach der Trennung der Eltern wider. Vielfach betreut primär die Mutter die Kinder und kommt damit auch ihrer Unterhaltsverpflichtung nach. Der Vater leistet Geldunterhalt und hat Kontakt- und Informationsrechte. Dieses Klischee ist aber durch das Familienrecht keineswegs vorgegeben oder begünstigt. Genauso gibt es – das zeigt die Praxis ja auch in immer häufigeren Fällen – vermehrt Fälle mit umgekehrten Vorzeichen. Das heißt, der Vater betreut in erster Linie die Kinder, die Mutter arbeitet und zahlt Alimente. Auch diese Fälle gibt es natürlich.

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang vor allem auch die Feststellung, dass Ob­sorge und Kontaktrecht einerseits und der Unterhalt für die Kinder andererseits ganz unterschiedliche Paar Schuhe sind. Das Funktionieren oder Nichtfunktionieren der Kontakt- oder der Informationsrechte kann nicht entscheidend für die Unterhalts-


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