Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 286

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Das muss man sehen. Sie können nicht einmal beim besten Willen behaupten, dass Österreich die Opfer des Nationalsozialismus nicht restituiert, nicht entschädigt hätte beziehungsweise dass wir uns nicht entschuldigt hätten. Sie können nachzählen, ich glaube, es gibt vom Jahr 1945 bis jetzt 18 Restitutionsgesetze unter verschiedenen Aufhängern. Das ist ja alles gut.

Aber dann sagt man: Jetzt haben wir das 18 Mal gemacht, aber alle anderen Opfer, die dürfen wir überhaupt nicht anschauen! Es gibt gleich ein Riesengeschrei, wenn jetzt Kollegin Kitzmüller oder auch die Kollegen von der ÖVP kommen und sagen: Naja, geben wir einmal in die Lehrpläne einen Blick über diese sozialistisch-kommunistische Mauer hinein.

Herr Kollege! Ich würde Folgendes vorschlagen: Wir haben ja jetzt eine weitere Sitzung und dann eine lange Sommerpause. Bitte nehmen Sie sich einmal ein paar Bücher, die vielleicht nicht bei Ihnen im Schrank stehen und die vielleicht ein Datum nach dem 8. Mai 1945 haben. Blättern Sie darin! Dann reden wir im Herbst noch einmal über das Thema. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.23


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


0.23.50

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diese Worte des Herrn Kollegen Walser nicht unwidersprochen stehen las­sen. (Ruf bei der ÖVP: Das darf man auch nicht! – Abg. Dr. Graf: Das Schöne an der Politik ist, dass er von den Kindern ferngehalten wird!)

Herr Kollege Walser! Sie hätten als Lehrer ja eine besondere Verantwortung, ein Prin­zip hier und auch bei Ihren Schülern klar darzulegen, nämlich dass Menschenrechte unteilbar sind – jetzt, in der Zukunft, aber auch in der Vergangenheit – und dass es kei­ne guten und keine bösen Opfer gibt. Man muss auch der Jugend klarmachen, dass man es verurteilt, wenn es in der Vergangenheit Verbrechen und Fehler gegeben hat – egal, von wem und wem gegenüber sie verübt worden sind –, dass man die Ursachen dafür ergründet, daraus lernen soll, die richtigen Erkenntnisse und entsprechend auch die richtigen Schlüsse für die Zukunft ziehen soll.

Wir sehen das heute. Wir haben es diskutiert. Auch in der Gegenwart wird noch immer in Gute und Schlechte unterteilt. Die Menschenrechte sind dort zu vertreten und dort mit einem Augenzwinkern ein bisschen hintanzustellen. Das wollen wir doch nicht.

Sie sind ungefähr, glaube ich, meine Generation. Wir sind unbelastet. Wir haben die Gnade der späten Geburt. Wir haben alle unsere Familiengeschichten. Auch ich habe in meiner Familie Angehörige, die unter schweren Repressalien gegen die Nationalso­zialisten aufgetreten sind. Ich habe aber auch Angehörige in meiner Familie, die nach dem Zweiten Weltkrieg Opfer von Vertreibung und Gewalt gewesen sind.

Ich kann nicht darüber entscheiden, wer die guten und die bösen Opfer waren, sondern ich kann nur für mich mitnehmen, dass wir heute wenigstens überall dort, wo Men­schenrechte verletzt worden sind, wo unschuldige Menschen vertrieben worden sind, gefoltert worden sind, ermordet worden sind, so weit sind und sagen: Das alles war Unrecht. Wir lernen daraus und wollen es in der Zukunft anders machen. Wir wollen auch unsere Jugend so ausbilden und erziehen, dass das nie wieder vorkommen kann.

Es ist einfach falsch, wenn wir heute noch so sind und versuchen, Menschenrechtsver­letzungen mit anderen Menschenrechtsverletzungen zu erklären und vielleicht auch noch zu rechtfertigen und zu sagen: Heute ist es zwar auf der Tagesordnung, aber wir wollen nicht darüber reden, sondern wir relativieren das, weil da gab es ja auch noch etwas anderes. Niemand bezweifelt das, Herr Kollege Walser. Aber Sie sind immer ei-


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