Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll216. Sitzung / Seite 291

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Also halten wir fest: Eigentlich wissen Sie, was im Strafvollzug vor sich geht. Sie erfahren nur die wesentlichen Teile aus dem „FALTER“, und wenn es dann konkret wird und Missstände aufgedeckt werden, dann haben Sie davon doch nichts ge­wusst. – Eine verantwortungsvolle Amtsführung schaut anders aus!

Damit ich aber sichergehen kann, dass es zukünftig keine Wissenslücken gibt, würde ich vorschlagen, dass wir gemeinsam die Missstände im Strafvollzug durchgehen.

Erstens einmal halten wir fest, dass in Österreich die Haftquote relativ hoch ist. Pro 100 000 EinwohnerInnen sind in Österreich 104 Menschen in Haft, in Deutschland 83, in der Schweiz 77. – So viel zur Einleitung.

Aufgrund Ihres zusätzlichen Einsparungsdrucks, den Sie beim Strafvollzug ausgelöst haben, haben wir im Strafvollzug katastrophale Einschlusszeiten. In der Josefstadt beispielsweise wird das Mittagessen um 10.45 Uhr serviert, das Abendessen wird um 13.45 Uhr serviert, und um 14.30 Uhr heißt es „Gute Nacht!“, und es wird abgeschlossen. – Das ist so im Erwachsenenstrafvollzug.

Am Wochenende sind die Zellen 60 Stunden zu. Zweimal täglich – das ist die Ausnahme – gibt es 1 Stunde Hofgang. Sechser-, Siebener-, Achter- und Neuner-Zellen sind in österreichischen Gefängnissen nach wie vor auf der Tagesordnung.

Nächster Punkt: Gewalt. – Ich habe im Jahre 2011eine Anfrage an Sie gestellt und wollte wissen, zu wie viel Gewalttaten von Insassen an Insassen es kommt. So viel zum Thema „alles Einzelfälle“. 2009 waren es 115, 2010 waren es 125, davon waren 2009 6 und 2010 8 sexuelle Übergriffe. – So viel zum Thema „Einzelfall“.

Zu den sexuellen Übergriffen muss man sagen: Das ist ja nur die Spitze des Eis­berges! Wir wissen, dass im normalen Leben Missbrauchsopfer meist und oft nicht über das, was ihnen widerfahren ist, reden können. Im Gefängnis ist der Druck noch viel höher, weil derjenige, der redet, mit weiteren Repressionen zu rechnen hat. Ich habe mir sagen lassen, dass Häftlinge, die reden, zwangstätowiert werden, damit sie ihr Leben lang in der Gefängnissubkultur als jene, die gesungen haben, identifizierbar sind, und dass sie immer weiter Repressionen ausgesetzt sind. Deswegen redet niemand im Gefängnis darüber. Der Druck ist enorm. – Das heißt, wir reden hier über die Spitze des Eisberges – Sie reden über Einzelfälle!

Nun zur Beschäftigungsquote im Gefängnis – ein Ziel des Strafvollzugs. Wenn wir von Beschäftigung im Gefängnis reden, dann sind es im Schnitt 1 bis 3 Stunden täglich pro Gefangenem.

Nächster Punkt: Gesetzlich vorgesehene Trennung der Haftgruppen. – Da geht es darum, dass Ersttäter und dass Täter mit psychischen Besonderheiten vom allge­meinen Strafvollzug getrennt sind. In zahlreichen Gefängnissen ist diese gesetzlich vorgesehene Trennung nicht möglich.

Alles Missstände, die dokumentiert sind. Alles Missstände, die teilweise in Anfragen zugegeben worden sind. Nur Sie sagen: Es ist alles in Ordnung! Es gibt keine Missstände und nur Einzelfälle!

Wir brauchen dringend Reformen im Strafvollzug. Und wir brauchen eine Justiz­ministerin, die dazu in der Lage ist. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

22.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


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