Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll16. Sitzung / Seite 118

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14.42.38

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch eine Gebärden­sprachdolmetscherin): Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Sehr geehrte Frau Bil­dungsministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Bürgerinnen und Bürger! Zum Thema Bildung: Haben Sie gewusst, dass bei den Testungen bestimmte Gruppierun­gen ausgeschlossen werden, und zwar sowohl in Österreich als auch auf der interna­tionalen Ebene? Haben Sie das gewusst? – Nein.

Es gibt zum Beispiel behinderte Kinder, die nicht getestet werden, wo nicht geschaut wird, welche Leistung diese Kinder erbringen. So etwas gibt es! Deswegen frage ich mich: Wie schaut die österreichische Bildungspolitik aus? – Parallelsystem: Das heißt Integrationssystem auf der einen Seite und auf der anderen Seite ein anderes System.

Das Bildungssystem sagt, die zwei Systeme zu vereinen, das geht nicht. Es stellt sich immer die Frage: entweder das eine oder das andere? – Das ist nicht sinnvoll, und das widerspricht der UNO-Konvention.

Und wie ist das mit dem staatlichen Geld? – Geld wird ausgegeben, behinderte Men­schen werden untersucht, aber auf der anderen Seite wird nicht kontrolliert, welche Leistung diese Kinder erbringen. Und wir dürfen nicht vergessen, wie es dann ist, wenn die behinderten Kinder die Schulen abschließen. Dann werden diese Kinder beziehungs­weise später dann Erwachsenen zu Leistungsempfängern.

Bildungstests und Bildungsstandards sind sehr, sehr wichtig. Diese ermöglichen Refor­men, Verbesserungen. Ohne Standards kann man doch bitte keine Reformen durch­führen. Wie stellen Sie sich das vor?

Und ich frage mich jetzt: Wie kann man bitte eine Bildungsreform durchführen: in ei­nem Blindflug? – Nein, das geht nicht! (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie sind ja selbst Expertin. Sie haben ja selbst im Bil­dungsbereich gearbeitet und haben auch an einer Schwerhörigenschule gearbeitet. Ich möchte nur ein Beispiel aufzeigen. Es geht um gehörlose Kinder. Sie wissen ja, behin­derte Kinder beziehungsweise gehörlose Kinder werden zweifach diskriminiert. Das heißt, sie bekommen nicht immer das Recht auf ein Regelprogramm. Sie bekommen ein Sonderschulprogramm. – Das ist das eine.

Zweitens: Die Kinder bekommen kein Anrecht auf den Unterricht in der Gebärdenspra­che. Das heißt, sie bekommen kein Anrecht auf die eigene Muttersprache. Sie dürfen nicht bilingual unterrichtet werden. Dazu kommt noch, dass die Lehrer nicht gebärden­sprachkompetent sein müssen. Sie müssen überhaupt keine Kenntnisse in der Gebär­densprache vorweisen.

Stellen Sie sich bitte vor: Wie läuft so ein Unterricht in einer Schule ab? Kann man sich das vorstellen: Die Tulpe ist rot, die Tulpe ist gelb, die Tulpe ist soundso! Ist das sinn­voll? – Nein! Diese Kinder lernen auf diese Art und Weise kein sinnerfassendes Lesen, weil auch keine Gebärdensprache vorhanden ist. Diese Kinder sind unterfordert, und das jeden Tag.

Was bedeutet das wiederum für diese Kinder? – Es gibt wissenschaftliche Untersu­chungen, die besagen, dass fünfzehnjährige Schulabgänger eine Sprachwortschatz­kompetenz von einem achtjährigen Kind haben. Und das in einem Idealfall, bitte schön! Das geht so nicht! Das ist einfach unmöglich! Man kann nicht einfach sagen, dass der eine an einem Test teilnimmt und der andere nicht. Mann kann nicht sagen: Du bist zu schwach oder du bist so gut! Wer entscheidet darüber?

Also die Bildungsstandards selektieren auch und erlauben nicht, dass alle betroffenen Personen getestet werden sollen. Österreich ist doch kein Entwicklungsland! Ich frage mich: Wie ist das möglich? – Das wäre der eine Punkt.

 


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