Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll23. Sitzung / Seite 113

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15.16.06

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung auf der Regierungsbank! Der Herr Bundeskanzler ist jetzt nicht mehr anwesend, aber er hat uns heute ein bisschen gerügt und hat gemeint, wir sollen nicht alles schlechtreden. Er hat auch ein Zitat von einem berühmten Zukunftsforscher, von Herrn Horx gebracht, der eben gemeint hat, wie schön doch alles hier in unserem Land sei.

Ich möchte das auch nicht schlechtreden. Ich finde Österreich auch sehr schön und finde, dass es sehr viele Vorzüge hat. Auch der Sozialstaat hat große Vorzüge. Aber ich möchte mit einem anderen Zitat entgegnen. In der dieswöchigen Ausgabe des „Falter“ war ein Interview zu lesen, und das habe ich sehr spannend gefunden, mit dem neuen Intendanten des Wiener Konzerthauses, Matthias Naske. Er war jetzt zehn Jahre lang nicht in Österreich – er war nämlich in Luxemburg, das auch nicht gerade das ärmste Land ist –, und er ist gefragt worden, ob er, nach zehn Jahren wieder nach Österreich zurückgekehrt, Unterschiede wahrnimmt. Und er hat auf die Frage, was sich verändert habe, gemeint:

„Mein erster Eindruck war, dass die Stadt viel heterogener geworden ist. Die Ungleich­heit ist deutlicher. Man sieht mehr Armut, man sieht mehr Reiche.“

Und das darf uns nicht weiter verwundern. Ich frage mich nur, ob der Herr Bundes­kanzler nicht mehr genügend Abstand zum Land hat, um quasi einen Blick auf die Situation in diesem Land zu haben und auch wahrzunehmen, dass es tatsächlich immer weniger Reiche, aber immer mehr Arme gibt. Es sagen uns auch sämtliche Berichte, die auch international diskutiert werden, dass mittlerweile 1 Prozent sehr reich ist und 99 Prozent genau nichts davon haben.

Für mich sind aus der gestrigen Rede zwei Bilder übrig geblieben. Das ist zum einen der riesige Schuldenberg. Und ich konnte da nicht die große Vision für Österreich erkennen, wie wir das jetzt im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit oder sonst wie angehen könnten. Das Zweite war: 25 000 Autos, die sich die Österreicherinnen und Österreicher im letzten Jahr leisten konnten, als Bild für den großen Wohlstand in unserem Land.

Ich finde es schon sehr verwunderlich, dass wir noch weiter, so wie in den siebziger Jahren, den Wohlstand in diesem Land daran messen, wie viele Autos sich die Öster­reicherinnen und Österreicher leisten können. Nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aus sozialpolitischen Gründen ist das mehr als bedenklich. (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt, mir fehlen in dem ganzen Bereich – wenn ich jetzt meinen sozialpolitischen Bereich anspreche – absolut die Visionen. Ich sehe kein Bild, ich sehe nur den Schuldenberg und die Autos. Bitte klären Sie uns auf, was Sie darüber hinaus vor­haben!

Gestern wurde zum Beispiel das Pflegekarenzgeld erwähnt. Dafür gibt es nicht einmal einen Rechtsanspruch, und es macht im Gesamtbudget 5 Millionen € aus. Was ist also mit dem riesengroßen Pflegebereich, der eine der größten Herausforderungen in unserer Gesellschaft ist? Was ist mit der demografischen Entwicklung? Jeder und jede von uns ist betroffen – mit Eltern, die zu pflegen sind, mit Großeltern, die zu pflegen sind. Das war gestern kein Thema, da ist man drübergehuscht. Das ist aber, budget­politisch gedacht, eine der größten Herausforderungen, und ich erwarte mir darauf Antworten, zumindest in den nächsten Monaten. (Beifall bei den Grünen.)

15.19

 


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