Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung / Seite 94

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


12.28.01

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher im Plenarsaal und an den Fernsehschirmen! Bei diesem Tagesordnungspunkt werden wir einen Allparteienantrag beschließen, in dem es darum geht, dass wir gemeinsam mit der Volksanwaltschaft eine wissenschaftliche Studie betreffend das Thema Missbrauch und Gewalt an Menschen mit Behinderungen anfertigen lassen. Ich denke mir, das ist ein sehr wichtiger Beschluss, den wir heute fassen werden, damit man über die Gewalt an Menschen mit Behinderungen endlich auch in Österreich Daten und Fakten haben wird.

Gewalt ist noch immer ein Tabuthema, geschätzte Damen und Herren, es ist egal, ob es um Gewalt an Frauen geht – obwohl ich mir denke, wir haben in den letzten Jahren viele Maßnahmen ergriffen, um dieses Thema aus der Tabuzone herauszubekommen; wir haben auch mit Abstand herzeigbare Gewaltschutzgesetze im Bereich von Gewalt gegen Frauen – oder um Gewalt an Kindern. Die sogenannte g’sunde Watsch’n ist irgendwie wieder in aller Munde, was ich speziell am heutigen Kinderrechtetag wirklich sehr diskussionswürdig finde. Ich denke mir, es gibt die g’sunde Watsch’n für Kinder einfach ganz hundertprozentig nicht und dagegen sollten wir alle auch auftreten. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. El Habbassi.)

Es ist natürlich auch ein ganz besonderes Tabuthema, wenn es um Gewalt an Men­schen mit Behinderungen geht. Da gibt es ein doppeltes Tabu: Die Beeinträchtigung ist noch immer ein Thema, das noch nicht ganz selbstverständlich diskutiert wird, und natürlich auch die Gewalt an Menschen mit Behinderungen. Deswegen sollten wir alle gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um dieses Thema aus der Tabuzone heraus­zuholen und auch in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Ich bin sicher, die Studie wird dazu einen Beitrag leisten.

Gewalt, geschätzte Damen und Herren, tritt in den unterschiedlichsten Formen auf. Es gibt die physische Gewalt, diese ist, wie ich meine, leicht erkennbar, für Außen­stehende und auch für jemanden, der von physischer Gewalt betroffen ist. Da weiß man, man ist ein Opfer von Gewalt.

Es gibt aber auch die psychische Gewalt, die viel subtiler ist, die sich oft über Jahre zieht, wo man selbst als Opfer oft gar nicht weiß, ob man eigentlich von psychischer Gewalt betroffen ist. Es handelt sich dabei um Beleidigungen, um Beschimpfungen, um Herabwürdigungen und auch um Ignoranz; auch Ignoranz kann eigentlich psychische Gewalt sein.

Menschen mit Behinderungen sind ganz oft von dieser sogenannten psychischen subtilen Gewalt betroffen, weil sie aufgrund ihrer Lebenssituation oft ein ganzes Leben lang Assistenzleistungen brauchen, sei es von Familienangehörigen oder auch in Institutionen, weil sie eben Betreuung und Unterstützung in ihrem Alltag brauchen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis ist oft auch ein Grund dafür, dass Menschen mit Behinderungen von Gewalt betroffen sind. Ich denke mir, man muss wirklich hinschauen, man muss Menschen mit Behinderungen stärken, sich als Opfer zu erkennen, sich auch artikulieren zu können und zu sagen: Nein, hier ist meine Grenze, da ist einfach die Grenze erreicht, wo du meine Intimsphäre überschreitest!, oder zu sagen, wo einfach auch tatsächlich psychische Gewalt stattfindet.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite