Das Kernproblem der österreichischen Außenpolitik im Konflikt Ukraine – Russland ist mit Sicherheit die fehlende Unabhängigkeit. Es ist eine lange und schlechte Tradition von ÖVP-Außenministern, letzten Endes mit der US-Politik und ihren Verbündeten mitzulaufen. Es ist im Kern Mitläuferpolitik. Das war ein Riesenproblem beim Konflikt zwischen Russland und Ukraine, denn die politische Aggression ist in der allerersten Phase eindeutig vom Westen, und hier vor allem von den USA, ausgegangen. (Abg. Vavrik: Was?!)
Es war immer klar, dass der heikle Punkt die Antwort auf die Frage ist: Gibt es einen bündnisfreien militärischen Korridor rund um Russland? Und die USA mit ihren Verbündeten haben die Frage mit Nein beantwortet, trotz vorhergehender anderer Versprechen.
Dass darauf eine russische militärische, völkerrechtswidrige Aggression gefolgt ist, war nicht das Recht Russlands (Zwischenrufe bei der ÖVP); das geht viel weiter als das, was die USA und ihre Verbündeten getan haben. Aber die österreichische Rolle wäre doch die traditionelle Rolle eines Blockfreien, eines Neutralen gewesen (Abg. Vavrik: Wir sind nicht in den siebziger Jahren!), auf der Suche nach und mit dem Vorschlag von eigenständigen Lösungen. Und genau das ist nicht passiert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Vavrik: Wir leben im 21. Jahrhundert! Blockfrei gibt es nicht mehr!)
In Kurdistan, Türkei geht es um eine völlig andere Frage. Das ist keine Blockkonfrontation. Das ist die Frage, wie in einer der schwierigsten, heikelsten und gefährlichsten Regionen dieser Welt politisch agiert wird und welche Rolle hier wieder ein kleines, niemanden bedrohendes, reiches Land spielen kann. Da geht es neben der Palästina-Frage um die Antwort auf eine Frage, und die heißt Kurdistan. Und das ist heute nicht mehr wie vor 25 Jahren die Frage der Anerkennung der kurdischen Anliegen; das haben wir geschafft: durch große Vernetzungen, viele Aktionen wie auch jetzt die Türkeireise, an der ja einige Abgeordnete dieses Hauses – meine Kollegin Berivan Aslan, Kollege Schieder und andere – teilgenommen haben.
Jetzt geht es um eine andere Frage: Wie gehen wir mit der Frage nach einem kurdischen Staat oder ersten Schritten in Richtung eines kurdischen Staates in Südkurdistan um? Wie gehen wir mit der Frage nach der Autonomie in den kurdischen Gebieten, vor allem in der Türkei, aber auch im Iran und in Syrien um? Und wie gehen wir mit der PKK um?
Schafft es unser Außenministerium, so wie damals Bruno Kreisky gegenüber der PLO, einmal zu sagen: Wir müssen einen Dialog mit der PKK beginnen – auch wenn es anderen nicht passt –, weil sie letztendlich die Vertreterin der Kurden im Staatsgebiet der Türkei ist! Traut sich das die österreichische Außenpolitik? Das ist die Frage an den Außenminister.
Ein Bruno Kreisky hat diese Frage angesichts Palästinas mit Ja beantwortet, ein Außenminister Kurz stellt diese Frage zumindest öffentlich noch gar nicht. Ich hoffe, da kommt es zu einer Initiative, und ich hoffe, da kommt es auch zu Eigenständigkeit und Mut.
Eine letzte kurze Bemerkung noch zum Blogger Raif Badawi in Saudi-Arabien: Es ist wunderbar, wenn wir heute alle gemeinsam eine Resolution beschließen. Das ist ein wichtiges Signal! Aber was ist von der Errichtung eines saudischen Zentrums mit österreichischer Unterstützung mitten in Wien zu halten, wenn aus politischen und religiösen Gründen in Saudi-Arabien Menschen hingerichtet werden, wenn dieser Blogger eingesperrt wird, wenn jeder, der an Demokratie, Menschenrechte und Gleichberechtigung der Frauen denkt, mit Gefängnisstrafen rechnen muss? Da finanzieren wir quasi einen Pseudo‑, Schein‑ und Verharmlosungsdialog mit!
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