Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll53. Sitzung / Seite 187

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18.01.33

Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Vertreter der Regierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Steuerzahler! Sehr geehr­te Zwangsgebührenzahler! In der Nachkriegszeit galt die österreichische Sozialpartner­schaft als ein Musterbeispiel für die Beziehungen zwischen Unternehmen und Gewerk­schaften. Es gab kaum Streiks, und das war sehr, sehr wichtig für den Aufbau nach dem Krieg. Dafür sind wir sehr dankbar, und darauf sind wir auch sehr stolz. (Beifall beim Team Stronach.)

Die Zeiten haben sich geändert, und Gott sei Dank ist auch die Nachkriegszeit schon so und so lange her. Dieses System ist also heute einfach nicht mehr zeitgemäß.

Das Wichtigste ist, dass die österreichischen Unternehmer wettbewerbsfähig sein kön­nen. (Vizekanzler Mitterlehner: Wo hat denn Ihr Vater gearbeitet? Frau Nachbaur, wo hat denn Ihr Vater gearbeitet?) – Ja, ich werde gleich darauf eingehen, dass es super Mitarbeiter bei der Kammer gibt. – Wir müssen wettbewerbsfähig sein. In jedem Ran­king fallen die österreichischen Wirtschaftsdaten nach hinten, und man muss sich wirk­lich fragen, ob und was die Kammern zu unserer Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich bei­tragen.

Herr Minister Mitterlehner! Es gibt sicher sehr gute Mitarbeiter bei den Kammern; Sie waren bestimmt einer der allerbesten. (Heiterkeit. – Beifall bei Team Stronach und ÖVP.) Aber warum beraubt man uns der Freiheit, selbst zu entscheiden, ob wir Mitglied sein wollen oder nicht? – In der derzeitigen Struktur nehmen uns die Kammern diese Freiheit und vor allem, automatisch und ganz selbstverständlich, unser Geld weg, das sowohl die Arbeitnehmer als auch die Unternehmer möglicherweise anders oder viel­leicht sogar besser investieren würden. (Beifall beim Team Stronach.)

Die Wirtschaftskammer ist laut Verfassung ein Selbstverwaltungskörper. Die Gebühren werden allerdings mit staatlichen Zwangsmitteln eingetrieben. Bei der Arbeiterkammer wird der Pflichtmitgliedschaftsbeitrag still eingezahlt; das heißt, das wird jedem Arbeiter einfach automatisch vom Lohn abgezogen. Auch in der Landwirtschaftskammer sind alle selbständigen Bauern kraft Gesetzes Mitglieder, sogar deren Familienmitglieder. Zusätzlich finanzieren alle Bundesländer ihre Landwirtschaftskammern mit großzügi­gen direkten und indirekten Beitragszahlungen und Förderungen. (Abg. Steinbichler: Trotz dieser guten Arbeit der Kammer geht es den Bauern schlecht ...!)

In Wirklichkeit sind die Kammern ganz wichtige Vorfeldorganisationen von SPÖ und ÖVP, haben gewaltige Personalkosten, Fuhrparks und residieren in prunkvollen Ge­bäuden. (Widerspruch bei der ÖVP.) Für alle diese Kammern gilt die Zwangsmitglied­schaft. Aber in einer Demokratie sollte doch jeder Mensch, jede Firma, jeder Unterneh­mer selbst entscheiden können, wo er Mitglied sein will und wo nicht! (Beifall beim Team Stronach.)

Oder wie sehen Sie das mit dem freien Willen der Bürger dieses Landes? – Wer den Kammerzwang für nicht mehr zeitgemäß hält, wird von den Verbänden sofort zum Gegner der institutionellen Interessenvertretungen erklärt. Das stimmt so aber nicht. Aber zwingen Sie doch die Bürger nicht zu ihrem Glück! In allen EU-Ländern ent­scheiden allein die Arbeitnehmer, ob und von wem sie sich vertreten lassen wollen – ausgenommen hier in Österreich: Da ist man bei der Arbeiterkammer, durch eine auto­matische, gesetzlich vorgeschriebene Zwangsbeglückung. Das ist nicht richtig! (Beifall beim Team Stronach.)

Was die Selbständigen anlangt, gibt es gesetzliche Vorschriften, Sie haben gesagt, in sieben Ländern; ich glaube, es sind nur mehr sechs, Tendenz sinkend. Meine Bitte ist: Lassen Sie doch den Bürgern ihren freien Willen! Denken Sie lieber darüber nach, wie man in diesem Land Wohlstand schaffen könnte. Um den sozialen Frieden zu sichern, brauchen wir nämlich nicht Zwangsmitgliedschaften, sondern Rahmenbedingungen,


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