Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 85

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eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über den Antrag 948/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend schrittweise Senkung der Arbeiterkammerumlage (573 d.B.) – TOP 10

Die verschiedenen Kammern haben als gesetzliche berufliche Vertretungen zweifellos anerkennenswerte historische Verdienste um den sozialen Ausgleich in Österreich erreicht. Auf Grund ihrer tief verankerten Denkmuster und des einengenden Parteizu­griffs war der Sprung ins 21. Jahrhundert für die Kammer nicht schaffbar. Währenddes­sen hat sich die politische Landkarte grundlegend verändert. Heute gibt es viele Selbst­ständige, Freiberufler, aber auch Arbeitnehmer_innen, die sich von ihren Kammern und ihren politischen Funktionär_innen nicht vertreten fühlen.

Europaweit gibt es nur noch in sechs der 27 EU-Mitgliedsstaaten das System der Zwangsmitgliedschaft in gesetzlichen beruflichen Vertretungen. In Deutschland wird der Widerstand insbesondere gegen die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer (IHK) immer größer, was inzwischen eine Klage vor dem Bundes-ver­fassungsgericht nach sich zog. Die EU-Kommission hat inzwischen festgestellt, dass die Pflichtmitgliedschaften z.B. ein Hemmnis für die Wettbewerbsfähigkeit von Unter­nehmen sind. Inzwischen dürfte klar sein, dass die Zwangsmitgliedschaften auch ein Hemmnis für die Transparenz, Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Interessensvertre­tungen selbst ist.

Die Menschen wollen von ihren Vertreter_innen weniger Bürokratie, weniger Partei­eneinfluss, mehr Freiheit und ein echtes Sprachrohr für ihre Interessen. Es braucht deshalb moderne, effiziente, effektive Interessenvertretungen und Serviceorganisa­tionen, die keine Pflichtmitgliedschaften mehr brauchen. Dass moderne und gut organi­sierte Interessensvertretungen keine Pflichtmitgliedschaft brauchen, zeigen genügend freiwillige Interessenvertretungen. Positivbeispiele für Interessensvertretungen, die kei­ne Pflichtmitgliedschaft brauchen, sind z.B. der Apothekerverband bei dem 94% aller Apotheker freiwillig Mitglied sind, weil der Verband eine kostengünstige, effiziente und serviceorientierte Interessensvertretung ist. Der ÖGB kennt keine Zwangsmitglied­schaft und dennoch sind fast 1,2 Millionen Arbeitnehmer_innen freiwillig Mitglied. Auch die österreichische Hotelvereinigung vertritt beispielsweise 50% aller 4- bzw. 5- Sterne-Hotels in Österreich, und das auf freiwilliger Basis.

Eine starke Arbeiter- und eine starke Wirtschaftskammer brauchen keinen Zwang – sie überzeugen durch ihre Leistung. Daher fordern wir die Abschaffung der Zwangsmit­gliedschaften in gesetzlichen beruflichen Vertretungen. Die Freiwilligkeit der Mitglied­schaft würde auch die Interessensvertretungen selbst zu entsprechend dringenden Re­formen zwingen.

Gegenwärtig scheinen verschiedene Kammern nicht zu wissen, was sie mit ihren Zwangsbeiträgen anstellen sollen. Es ist nicht erklärbar, weshalb enorme Steigerungen der Personalstände, die Finanzierung von Luxuspensionen und auch die Übernahme von Haftungen und Schaffung ausgelagerter Gesellschaften nötig ist. Vielmehr drän­gen diese Entwicklungen auf dringend notwendige Reorganisationsmaß-nahmen ins­besondere der Wirtschafts- und der Arbeiterkammern hin, damit diese entsprechende betriebswirtschaftliche Grundsätze anwenden müssen und sich nicht auf Kosten der Zwangsmitglieder vor effizienzsteigernden Reformen verwehren können.

Im Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es unmissverständ­lich: „Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören.“ Dieses grund­legende Prinzip sollte auch in Österreich umgesetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 


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