Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 110

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praktischen Ärzte, zu unterstützen und aufzuwerten. Die Regierung hat in ihrem Zen­tralismuswahn alles nur Mögliche getan, um niedergelassene Ärzte zu blockieren, aus­zuhungern. Wie soll der niedergelassene Bereich hier diese Schwemme an Patienten aufnehmen?

Die Schwächung des praktischen Arztes dürfte hier im Großen und Ganzen als Pro­gramm festgeschrieben worden sein, meine Damen und Herren. Anders kann ich mir nicht erklären, dass in bestimmten Bereichen Österreichs tatsächlich heute schon ein struktureller Engpass an praktischen Ärzten besteht, und auf der anderen Seite kaum Maßnahmen ergriffen werden, um dagegen anzukämpfen – wie zum Beispiel mit einer Erhöhung der Vertragszahlen im niedergelassenen Bereich, vor allem auf dem Land.

Die Menschen wollen einfach den praktischen Arzt, keine anonymisierten Primärzen­tren. Das ist nämlich eine Konsequenz aus dieser neuen Gesundheitsreform, die be­schlossen worden ist. Die Regierung geht dazu über, in diesem Bereich zu zentrali­sieren. In diesen Zentralisierungsagenden – ich möchte schon fast sagen, in diesem Zentralisierungswahn – stellen sich einige Blüten ein.

Die Gebietskrankenkassen sind ursprünglich als Selbstverwaltungsinstrument der Ver­sicherten eingerichtet worden. – Wir haben heute übrigens auch über die Arbeiterkam­mer gehört, über den Sinn und Zweck dieser Institution. – Die Gebietskrankenkassen haben seinerzeit vor allem den Auftrag gehabt – und haben ihn heute noch – in struk­turell unterversorgten Gebieten die ärztliche Versorgung sicherzustellen.

Davon kann heute keine Rede mehr sein, denn wir haben ja keine strukturell unver­sorgten Gebiete mehr. Das kann wieder kommen, aber heutzutage sind die Gebiets­krankenkassenambulatorien ja nur in den sogenannten besten Luxuslagen angesie­delt: Mariahilfer Straße, 1. Bezirk und dergleichen in Wien. Sie besitzen darüber hinaus umfassende Privilegien: Sie zahlen keine Steuern, für sie gibt es die Ausfallhaftung und dergleichen mehr.

Ich spreche das deswegen an, weil die Gebietskrankenkasse – und da sind wir wieder beim Ausdünnen des niedergelassenen Bereichs und dieser Blockierung des nieder­gelassenen Bereichs – dazu übergegangen ist, die Ärzteschaft unter einen Generalver­dacht zu stellen. Der Generalverdacht lautet: Wir schauen einmal nach, ob das tat­sächlich so ist, dass die Mehrzahl der niedergelassenen Ärzte im strukturellen Bereich falsch abrechnet. Wir schicken euch Testpatienten, wir unterstellen euch einem Gene­ralverdacht. So weit, so gut, könnte man sagen. Es steht ihnen zu, nachzusehen, ob da wirklich einige schwarze Schafe vorhanden sind.

Jetzt wird mir aber zugetragen – und jetzt kommt das Empörende –, dass die Gebiets­krankenkassen in Salzburg und in Wien vor allem im zahnärztlichen Bereich bei fri­schen Einstellungen den jungen Kollegen Umsatzziele vorgeben. Die Gebietskranken­kassen der Stadt oder des Landes Salzburg verlangen, dass die jungen Kollegen, die dort arbeiten möchten, mindestens 200 € Umsatz pro Stunde machen. In Wien, habe ich gehört, soll der Umsatz 1 000 € am Tag betragen.

Ich persönlich sehe es als problematisch an, als ethisch nicht in Ordnung, wenn eine Körperschaft öffentlichen Rechts und vor allem eine Gebietskrankenkasse ihren Mitar­beitern Umsatzziele vorgibt, zumal in den Statuten steht, dass diese Gebietskranken­kasse mehr oder weniger dafür da ist, um Strukturdefizite auszugleichen. – So viel zur Ungleichbehandlung.

Ich glaube überhaupt, dass es vor allem betreffend den Bereich der Gebietskranken­kasse hier im Hohen Haus einmal eine umfassende Diskussion geben müsste. Wir sind auch da, wo wir bei der Arbeiterkammer waren: Die Gebietskrankenkasse hatte ursprünglich nur den Auftrag, ein Inkassobüro zu sein, muss sich aber natürlich, um zu überleben, ununterbrochen neu definieren.

 


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