Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 173

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anderen Worten vielfach wiederholt. Nur ein Drittel der Gutachter hat eine neutrale Hal­tung. Neutralität gehört eigentlich zur Grundeinstellung eines Gutachters. In einem Teil der Gutachten werden Aussagen zu psychologischen Phänomenen getroffen, ohne diese auf einen einzigen psychometrischen Test zu stützen. 40 Prozent der Gutachten werden in der Studie als mangelhaft oder ungenügend bewertet.

Dieses Ergebnis ist ernüchternd, und zwar in zweifachem Sinn, weil wir ja eine falsche Negativprognose oder eine falsche Positivprognose haben könnten. Bei der falschen Positivprognose könnte jemand aus dem Maßnahmenvollzug entlassen werden, der ei­gentlich nicht entlassen werden sollte. Das wäre schlecht, weil das natürlich zu Straf­taten führen könnte, die verhindert werden sollten. Aber genauso problematisch ist ei­ne falsche Negativprognose, weil es bedeutet, dass jemand, der nach dem Absitzen seiner Strafe entlassen werden könnte, weiter angehalten wird. Das ist menschen­rechtlich natürlich ein unhaltbarer Zustand. Daher ist die Frage der Qualität der Gut­achten eine ganz zentrale Frage, wenn wir uns die Problematik des Maßnahmenvoll­zugs anschauen.

Ein letzter Punkt zum Maßnahmenvollzug ist die Frage der Nachbetreuung. Auch da gibt es das übliche Bund-Länder-Problem. Der Strafvollzug wird vom Bund finanziert, die Nachbetreuung von den Ländern. Daher gibt es einen Mangel an Nachbetreuung. Auch das müssen wir lösen, denn wir könnten Personen in die Nachbetreuung ent­lassen, in der sie ein therapeutisches Setting bekommen, das es ihnen bereits ermög­licht, in Freiheit zu sein. Wenn es aber keine Nachbetreuung gibt, ist eine solche Ent­lassung möglicherweise nicht durchführbar.

Jetzt haben wir einen sehr guten Bericht einer ExpertInnengruppe, den wir teilen und auch inhaltlich unterstützen und der ganz konkrete Reformvorschläge enthält, welche die Qualität des Maßnahmenvollzugs weiterentwickeln würden. Dabei zeigt sich natür­lich die gesamte Problematik der Ressourcen. Die besten Ideen sind nicht umsetzbar, wenn sie nicht finanzierbar sind. Es muss uns auch klar sein: All das, was in Arbeits­gruppen erarbeitet wird, ist so lange Papier, solange der Justizminister nicht vom Fi­nanzminister mehr Geld bekommt. Das wird eine der Schlüsselfragen sein – nicht, weil alles teuer sein muss, sondern weil ein qualitativer Strafvollzug natürlich etwas kostet und weil die Situation nicht von selbst besser wird.

Herr Justizminister, Sie sind an die Fragen des Maßnahmenvollzugs, aber auch des Re­gelvollzugs durchaus reformfreudig herangegangen und zeigen, dass Sie etwas bewe­gen wollen. Das muss man Ihnen auch als Oppositionspolitiker durchaus attestieren. Ich hoffe, dass Sie mit Ihrem Reformmut nicht wie beim Projekt der Weisungsfrei­stellung der Staatsanwaltschaft auf halbem Wege steckenbleiben, sondern dieses Re­formprojekt zu Ende führen und das, was die ExpertInnengruppe vorschlägt, auch tat­sächlich umsetzen.

Über den Antrag könnte man jetzt diskutieren. Es stimmt schon: Manche Details sind nicht ganz glücklich. Ich sehe es aber als so etwas wie eine Willensbezeugung des Parlaments, dass die von der Arbeitsgruppe erstellten Reformen durchgeführt werden sollen. In diesem Sinn möchte ich mit der Zustimmung heute ein Signal setzen, weil es notwendig ist, und wünsche Ihnen gutes Gelingen. Von reinen Reformversprechen haben wir nichts, aber ich gehe davon aus, dass Sie willens sind. Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Meinl-Reisinger.)

17.47


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Sche­rak zu Wort – Bitte.

 


17.47.57

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Herr Kollege Kirchgatterer, nur kurz vorweg: Danke für das klare Bekennt-


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